Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 04 - Das Julius-Haus
nicht erkennen, ob sie froh, angewidert oder wütend war, dass unser Angreifer ein Anfänger war. Falls es schwierig war, ihm in der Nacht zu folgen, so sagte sie es nicht.
Wir kamen auf eine enge Straße mit einem sumpfigen Flussarm, einem Bayou, auf der einen Seite und Häusern auf der anderen. Boote mit Schildern für Sumpfrundfahrten schwammen auf dem Bayou, die Alligatoren und eine wilde Tierwelt versprachen. Die meisten Schilder trugen das Wort „Cajun“. Das Licht war nicht gut, aber der weiße Pick-up mit den grellen Flammen auf der Seite war ziemlich einfach zu erkennen. Schließlich wurde er langsamer und fuhr in eine der engen Einfahrten. Wir mussten daran vorbeifahren, und ich starrte so fest ich konnte in das Dunkel, wo ich eine Art Haus mit abgeschirmter Veranda erkannte. Axtmann hatte den Pick-up unter einem Carport geparkt, den sich der Wagen mit einem ramponierten blauen Chevy Nova und einem von einer Plane abgedeckten Boot teilte.
„Das ist das Fahrzeug, das er in Georgia gefahren hat“, sagte Angel.
Wir fuhren weiter, bis wir zu einer Juke-Joint-Kneipe kamen, wo Angel anhielt und parkte. Wir sahen einander fragend an.
Keine von uns wusste, was wir als nächstes tun sollten.
„Wir können die ganze Nacht Wache halten, oder wir kommen morgen zurück, oder wir rufen Shelby von einem öffentlichen Telefon dort drinnen an.“ Angel zeigte mit ihrem Kopf zur Kneipe, aus der laute Zydeco-Musik tönte und durch deren Tür permanent Leute hineingingen und herauskamen. Ich wollte nicht rein.
„Wir sollten mehr rausfinden, ehe wir Shelby rufen“, sagte ich. „Ich will wissen, wer dort wohnt.“
KAPITEL SECHZEHN
Am nächsten Morgen schüttete es, dampfender, unaufhörlicher Regen, durch den das Innere des Mietwagens trotz Klimaanlage feucht und klebrig wurde. Wir fuhren vom Hyatt Regency im großstädtischen New Orleans zur Hütte im ländlichen Süd-Louisiana, ein Kulturschock, den Angel besser verdaute als ich. Als wir dort ankamen, war der Pick-up verschwunden, aber der alte Nova stand noch immer dort, wo er die vergangene Nacht gestanden hatte.
In der Nähe der Hütte gab es Nachbarn; viele der Häuser blickten auf den Bayou, und das Land war so wertvoll wie Ufergrundstücke überall, insbesondere, da die meisten Leute, die an dieser Straße wohnten, ihr Geld mit Sumpfrundfahrten für Touristen verdienten. Auf der anderen Seite waren Touristen hier so normal, dass wir nicht so sehr auffielen, wie es sonst der Fall gewesen wäre. Ein winziger Souvenirstand, der dicht neben einem Abfahrtspunkt der Bootsfahrten lag, hatte bereits geöffnet. Der Mann in der Bude, der grünbraunen Tarnfleck trug und dessen fransiges, dunkles Haar zerzaust und gewellt war, wirkte wie aus einem Rambo-Film entsprungen. Angel legte etwas Lippenstift auf und glitt aus dem Wagen. „Der ist schon eher mein Typ“, sagte sie mir. „Ich werde mal sehen, was ich rausfinden kann.“ Der Regen hatte nachgelassen und war zu einem leichten Nieseln geworden.
Sie hatte ihr Haargummi an diesem Morgen weggelassen, und ihr blondes Haar fiel locker um ihr schmales Gesicht. In den engen Jeans, dem ärmellosen T-Shirt und den Turnschuhen hätte sie einen Verkehrsstau verursachen können, wenn sie gewollt hätte, und an diesem Morgen wollte sie. Sie schlenderte zum Kundenschalter der kleinen Bude, legte ihre Ellbogen aufs Fensterbrett und war in einer Minute in eine Unterhaltung mit dem dunkelhaarigen Mann vertieft, der in einem ständigen Grinsen seine weißen Zähne blitzen ließ. Angel lächelte, zuckte die Achseln, warf ihr Haar zurück und benahm sich ganz generell völlig untypisch. Aber es schien ziemlich wirksam zu sein. Als sie zum Auto zurückkam, drehte sie sich ein paar Mal um, um etwas zurückzurufen, während er die Unterhaltung fortsetzte.
„Puh“, sagte sie erleichtert, als sie auf ihren Sitz glitt. „Das nenne ich Cajun! Sein Akzent war so dick, man hätte mit dem Messer Scheiben draus schneiden können, und er hätte die Vögel von den Bäumen schwätzen können.“
„Was hat er gesagt?“
„Ich habe ihm folgende lange Geschichte erzählt: Ich hätte letzte Nacht diesen Typen in einer Bar getroffen und würde seinen Namen nicht kennen, aber er besitze diesen wirklich auffallenden Pick-up und wohne irgendwo hier in der Gegend. Dann habe ich erzählt, ich hätte das Taschentuch mit seinem Namen und seiner Nummer verloren, aber ich wolle ihn ausfindig machen, ehe er mich anriefe, weil ich das
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