Harrison, Kim - Hollows 7 - Blutkind
verschwinden.«
Ich schnaubte, bereit ihm zu erklären, dass er kein Recht hatte, so herablassend zu klingen, aber er hatte genau das mit seiner »Gabe« getan: eine Bürde in einen Vorteil verwandelt. Ich drückte kurz seinen Arm, dann zuckte ich zusammen, als ich meine Mitbewohnerin Ivy entdeckte, die sich über den Schwes-ternschreibtisch beugte. Es war ihr völlig egal, dass gerade ein männlicher Sicherheitsbeamter in den Raum gekommen war und sie beobachtete. Ihre schwarzen Jeans waren eng und sa-
ßen tief, aber sie hatte den Körper eines Models und konnte es sich leisten. Der passende Baumwollpullover war hochge-schnitten und legte ihr Kreuz frei, als sie sich streckte, um zu sehen, was auf dem Computerbildschirm stand. Ihr Ledermantel lag auf dem Schreibtisch. Ivy war ein lebender Vampir, und so sah sie auch aus: anmutig, düster und launisch. Das machte es schwer, mit ihr zusammenzuleben, aber ich war auch nicht gerade ein Wonneproppen, und wir kannten die Eigenheiten des anderen.
»Ivy!«, rief ich, und sie drehte den Kopf. Ihr kurzes, beneidenswert glattes Haar mit den goldenen Spitzen wippte, als sie sich aufrichtete. »Wie hast du von Glenn erfahren?«
Fords Schultern sackten nach unten, und alle Anspannung verließ seinen Körper. Er sah glücklich aus. Aber das war auch zu erwarten, nachdem er meine Gefühle aufnahm und ich 35
glücklich war, Ivy zu sehen. Vielleicht sollte ich mal ein wenig über Ivy reden, wenn Ford und ich uns das nächste Mal trafen.
Ich konnte ein wenig tiefere Einsicht in unsere unsichere Beziehung brauchen.
Ich war nicht Ivys Blutschatten, sondern ihre Freundin. Dass ein Vampir mit irgendwem befreundet sein konnte, ohne auch Blut zu teilen, war ungewöhnlich, aber bei uns gab es noch ei-ne zusätzliche Komplikation. Ivy mochte sowohl Männer als auch Frauen und mischte Blut und Sex zu einem einzigen Komplex. Sie hatte deutlich klargemacht, dass sie mich wollte, auf jede Art, aber ich war hetero, mal abgesehen von dem einen Jahr, wo ich mich bemüht hatte, Blutekstase von geschlechtli-chen Vorlieben zu trennen. Dass sie mich mehr als einmal gebissen hatte, hatte auch nicht geholfen. Damals schien es eine gute Idee zu sein. Das Hoch eines Vampirbisses war zu nah an sexueller Ekstase, um es einfach sein zu lassen. Ich hatte erst glauben müssen, Kistens Mörder habe mich gebunden, um auf-zuwachen. Das Risiko, zum Schatten zu werden, war einfach zu groß. Ich vertraute Ivy. Aber ihre Blutlust machte mir Sorgen.
Also lebten wir zusammen in der Kirche, die gleichzeitig unsere Runner-Firma war, schliefen auf verschiedenen Seiten des Flurs und taten unser Bestes, den anderen nicht über die Kante zu treiben. Man sollte denken, dass Ivy wütend gewesen wäre, nachdem sie ein Jahr damit verbracht hatte, mich zu jagen, aber sie hatte darin ein ruhiges Glück gefunden, das Vampire nicht oft erlebten. Anscheinend war meine Aussage, dass ich niemals wieder zulassen würde, dass sie ihre Zähne in mir versenkte, der einzige Weg, wie sie glauben konnte, dass ich sie wirklich ihretwegen mochte und nicht wegen der Gefühle, die sie in mir auslösen konnte. Ich bewunderte einfach jeden, der so hart zu sich selbst und trotzdem so unglaublich stark sein konnte. Und ich liebte sie. Ich wollte nicht mit ihr schlafen, aber trotzdem liebte ich sie.
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Ivy kam zu uns, ihre schmalen Lippen geschlossen und ihre schicken Stiefel lautlos. Sie bewegte sich mit bewundernswerter Grazie, und ihr sonst friedliches Gesicht war leicht verzerrt.
Mit ihrem herzförmigen Gesicht, der kleinen Nase und dem vollen Mund wirkte sie leicht asiatisch. Sie lächelte selten, weil sie Angst hatte, dass Gefühle ihre Selbstkontrolle durchbrechen könnten. Ich glaube, das war der Grund dafür, dass wir befreundet waren - ich lachte genug für uns beide. Das, und die Tatsache, dass sie dachte, ich könne einen Weg finden, ihre Seele zu retten, wenn sie starb und untot wurde. Im Moment versuchte ich eher, die Miete aufzutreiben. Um die Seele meiner Mitbewohnerin würde ich mich später kümmern.
»Edden hat zuerst in der Kirche angerufen«, sagte sie zur Begrüßung. Sie zog die schmalen Augenbrauen hoch, als sie Fords Arm unter meinem sah. »Hi, Ford.«
Der Mann lief bei ihrem Tonfall rot an, aber ich ließ nicht zu, dass er seinen Arm zurückzog. Ich mochte es, gebraucht zu werden. »Er hat Probleme mit den Hintergrundgefühlen«, er-klärte ich.
»Und da lässt er sich lieber von deinen misshandeln?«
Nett .
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