Harrison, Kim - Hollows 7 - Blutkind
ich die entstellten Überreste ansah. Der staubige Geruch von Arts Fingern hing in meiner Erinnerung, als ich seine gebrochene Hand ansah, und das Fleisch, das sich eng um die Knochen gezogen hatte. Ich konnte seine Berührung an meiner Kehle, meinem Handgelenk fühlen. Es war ein schwerer Tod gewesen, der ihn als Mumie 646
zurückgelassen hatte, eine scheußliche Karikatur aus verboge-nen Gliedmaßen und Knochen, als die zwei Virusstämme um die Vormacht gekämpft und ihn dabei so gebrochen hatten, dass er es nicht einmal als Untoter überleben konnte.
Es war einfach, sich vorzustellen, was passiert war. Er starb an dem untoten Blut, das Kisten ihm gegeben hatte, und hatte seinen Nachkommen zu sich gerufen. Denon war aus Versehen oder absichtlich gestorben, als Art versuchte, genug Kraft zu finden, um gegen Kistens untotes Blut anzukämpfen. Kein Wunder, dass Ivy das alles hinter sich lassen wollte. Es war scheußlich.
Edden senkte den Lichtstrahl. Mit müden Augen schaltete er die Taschenlampe aus, sodass jetzt nur noch Mias Laterne den Tunnel erhellte. Er musterte Ivy in ihrem Elend, dann zog er den Gürtel hoch in dem Versuch, den Anschein von Normalität zu erwecken. »Wir werden den Raum auslüften lassen, dann holen wir uns einen Schuhabdruck zum Abgleich. Wir sind hier fertig.«
Ivy lehnte an der Wand und starrte auf den dunklen Türrahmen. »Er hätte Kisten niemals angerührt, wenn ich nicht gewesen wäre.«
»Nein«, sagte ich bestimmt. »Kisten hat gesagt, dass es nicht dein Fehler war. Er hat es gesagt, Ivy. Hat mir aufgetragen, es dir zu sagen.« Ich stellte die Laterne ab und ging durch den Tunnel auf sie zu, bis mein Schatten wie eine Decke über ihr lag. »Er hat es gesagt«, wiederholte ich, als ich sie an der Schulter berührte und feststellte, dass sie eiskalt war. Ihre Augen waren schwarz, aber sie waren nicht auf mich gerichtet, sondern auf das dunkle Loch gegenüber. »Ivy, wenn du dir das auflädst, dann ist das so ziemlich das Dümmste, was du je getan hast.«
Das drang zu ihr durch, und sie schaute mich an.
»Er hat dir keinen Vorwurf gemacht«, sagte ich und drückte kurz ihren Oberarm. »Wenn er es getan hätte, hätte er nicht 647
sein Leben geopfert, um den Bastard für dich und mich umzubringen. Er hat mich geliebt, Ivy, aber es war der Gedanke an dich, der ihn zu dieser Entscheidung geführt hat. Er hat es getan, weil er dich geliebt hat .«
Ivy brach zusammen und verzog gequält das Gesicht. »Ich habe ihn geliebt!«, schrie sie. »Ich habe ihn geliebt, und es gibt nichts, was ich tun kann, um das zu beweisen! Art ist tot«, sagte sie und wedelte mit den Armen. »Piscary ist tot! Ich kann nichts tun, um zu beweisen, dass ich Kisten geliebt habe. Das ist nicht fair, Rachel! Ich will jemandem wehtun, und es gibt niemanden mehr!«
Edden verlagerte unruhig sein Gewicht. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich wollte sie umarmen und ihr sagen, dass alles gut werden würde, aber so war es nicht. Es gab niemanden, an dem man Rache nehmen konnte, niemanden, auf den man zeigen konnte und sagen: Ich weiß, was du getan hast, und du wirst dafür leiden. Dass Piscary tot und Art eine entstellte Leiche war, war nicht ansatzweise genug.
»Meine Damen …«, meinte Edden vorsichtig und zeigte mit dem Licht den Tunnel hinunter. »Ich werde noch heute Nacht ein forensisches Team hier runterschicken. Sobald wir die Identität der Toten geklärt haben, werde ich es euch wissen lassen.« Er trat einen Schritt nach vorne, um zu gehen, zögerte aber dann, weil er wollte, dass wir ihm folgten.
Völlig erschöpft stieß Ivy sich von der Wand ab. »Piscary hat Kisten an Art gegeben als Ausgleich dafür, dass ich ihn ins Gefängnis gebracht habe. Es war politisch. Gott, ich hasse mein Leben.«
Ich starrte auf das Loch in der Wand und erkannte, dass sie Recht hatte. Kisten war wegen eines politischen Machtspiel-chens gestorben. Seine strahlende Seele, die gerade erst dabei gewesen war, ihre eigene Stärke kennenzulernen, war ausgelöscht worden, um ein Ego zu befriedigen und Ivy in die Knie 648
zu zwingen. Rache hätte ich ja vielleicht noch verstanden, aber das …
Ivy flüsterte Kisten einen letzten Gruß zu, senkte den Kopf und ging an mir vorbei. Ich rührte mich nicht und starrte weiter auf den dunklen Türrahmen. Eddens Hand landete auf meiner Schulter. »Du solltest dich aufwärmen.«
Ich entzog mich ihm. Aufwärmen. Gute Idee. Ich war noch nicht bereit, zu gehen. Kistens Seele hatte
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