Harrison, Kim - Hollows 7 - Blutkind
ihre Aura sich über mich ausbreitete.
»Es tut mir leid!«, schrie Ivy und zog ihre Hand von meiner Schulter. Ich fiel fast um, als der Schmerz zurückkehrte.
»Nein«, sagte ich und fasste nach ihrer Hand. Der Schmerz verschwand wieder. »Du hilfst mir«, erklärte ich und sah, wie die Angst, dass sie mir wehtun könnte, sich in Staunen verwandelte. »Es tut nicht weh, wenn ich dich berühre. Lass mich nicht los. Bitte.«
Sie schluckte schwer, dann packte sie meine Hand fester. Es war nicht perfekt. Ich konnte immer noch die Wellen der Kraftlinie gegen mich anbranden spüren, aber zumindest waren sie nicht mehr so roh, und die Qual auf meinen Nerven war ge-dämpft. Meine Gedanken wanderten zum letzten Halloween, als sie mich das letzte Mal gebissen hatte. Unsere Auren waren eins geworden, bevor sie die Kontrolle verloren hatte. War das hier eine Nachwirkung davon? Waren Ivys und meine Aura identisch? Fähig, sich gegenseitig zu beschützen, wenn eine beschädigt war? War es Liebe?
Edden stand unsicher neben uns, also holte ich nochmal tief Luft und drückte meine freie Hand wieder fest gegen die Tür.
» Quod est ante pedes nemo spectat «, flüsterte ich und nichts geschah.
» Quis custodiet ipsos custodes ?«, versuchte ich es wieder, aber immer noch nichts.
Edden verlagerte sein Gewicht. »Rachel, es ist okay.«
Meine Hand zitterte. » Nil tam difficile est quin quaerendo investigari possit .« Dieser Spruch funktionierte, und ich zog meine Hand weg, als ich in meiner Seele eine Antwort in dem Zauber fühlte, der in dem Zement eingearbeitet war. Nichts ist so schwer, dass es nicht durch Suchen gefunden werden kann .
Ich hatte schon vermutet, dass es der sein würde.
Ich trat zurück und ließ die Linie fallen. Ivy musterte mein Gesicht, bevor sie meine Hand losließ und ihre zur Faust ballte.
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Edden legte seine Hand in die Vertiefung des Griffes und zog.
Die Tür stöhnte, und Ivy schlug eine Hand vors Gesicht und sprang zurück.
»Heilige Scheiße«, rief ich würgend und wich ebenfalls zu-rück. Ich stolperte fast über Edden, als auch er vor dem Gestank zurückwich. Das Licht der Laterne zeigte Eddens angewidert verzogenes Gesicht. Was auch immer da drin war, es war schon lange tot, und meine Wut wuchs. Kisten hatte es geschafft, unseren Angreifer zu töten. Wen sollte ich jetzt an-schreien?
»Halt das«, sagte der FIB-Captain und drückte mir seine Taschenlampe in die Hand. Ich stellte die Laterne ab und nahm sie. Edden zog die Tür weiter auf und legte damit einen schwarzen Torbogen frei, aber sonst nicht viel.
Gestank rollte heraus, faulig und alt. Es war nicht der Gestank von Verwesung, der von der Kälte und vielleicht der Zeit gedämpft worden wäre, sondern der üble Geruch von Vampir-tod, der verweilte, bis entweder die Sonne oder Wind eine Chance hatten, ihn zu vernichten. Es war verdorbenes Räucherwerk. Verrottende Blumen. Umgeschlagener Moschus und totes Meersalz. Wir konnten nicht reingehen, weil es so schlimm war. Es war, als wäre jeglicher Sauerstoff von dich-tem, giftigem, verrottendem Öl verdrängt worden.
Edden holte sich seine Taschenlampe zurück. Er hielt sich eine Hand über die Nase und ließ das Licht über den Boden gleiten, bis er die Ecken des Raumes fand. Ich blieb, wo ich war, aber Ivy trat bis zur Türschwelle vor. Ihr Gesicht war tränennass und ausdruckslos. Edden trat vor sie, aber es war der Gestank, der sie zurückhielt, nicht seine Anwesenheit.
Der Boden bestand aus demselben staubbedeckten Stein wie der Tunnel, und die Wände waren aus Beton. Dreck überzog den rissigen Boden, in der Farbe von altem Blut. Edden folgte der Spur zur Wand, wo er auf Kratzer im Beton stieß.
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»Keiner von euch kommt hier rein«, sagte Edden, dann würgte er von dem Atemzug, den er genommen hatte, um das auszusprechen. Ich nickte, und er ließ schnell den Lichtstrahl über den Rest des Raumes gleiten. Es war ein hässliches Loch mit einer Pritsche und einem Tisch aus Pappkisten. Auf dem Boden lag neben einer weiteren, kleineren Blutpfütze der Körper eines großen schwarzen Mannes. Er lag mit gespreizten Armen und Beinen auf dem Rücken und trug ein leichtes TShirt, das aufgerissen war und eine völlig zerfetzte Kehle frei-legte. Sein Unterleib war ebenfalls aufgerissen worden, fast als hätte ein Tier an ihm gefressen, obwohl ich vermutete, dass die kleinen Haufen neben ihm wahrscheinlich seine Eingeweide waren.
Ich konnte nicht sagen, ob er angegriffen worden
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