Harry Bosch 02 - Schwarzes Eis
Das war’s? «
» Ja, das hei ß t nein. Auf der Zeitung … Von der Zeitung auf dem Stuhl habe ich einen sch ö nen Abdruck. Daumen und drei Finger.«
» Was ist mit den Patronenh ü lsen? «
» Alles verschmiert. Nichts Brauchbares.«
» Und der Abschiedsbrief? «
» Nichts drauf.«
» Hat jemand die Handschrift analysiert? «
» Es waren Blockbuchstaben. Aber Sheehan hat den Brief von einem Fachmann in Dokumentenanalyse untersuchen lassen. Der hat gesagt, sie stammen von Moore. Vor einigen Monaten hat Moore seine Frau verlassen und ist in ein Apartmenthaus namens The Fountains gezogen. In der Personalakte lag die von ihm ausgef ü llte Adressenkarte, und Irving hat sie sich geschnappt. Sie war gleichfalls mit Blockbuchstaben ausgef ü llt, und es gab eine Menge von Ü bereinstimmungen mit dem Abschiedsbrief.«
» Was ist mit der Schrotflinte? Konnte man die Seriennummer zur ü ckverfolgen? «
» Die Nummer war abgefeilt und dann mit S ä ure wegge ä tzt worden. Nichts zu sehen … Harry, ich sollte dir nicht so viel erz ä hlen. Am besten machen wir jetzt …«
Ohne den Satz zu beenden, drehte er den Stuhl wieder zum Karteischrank und legte seine Skizzen zur ü ck.
» Ich bin fast fertig. Wie sieht die Streuung des Schrots aus? Hast du das untersucht? «
» … angefangen, ist aber noch nicht fertig. Aber wir haben es hier mit Zwillingsl ä ufen, Kaliber zwanzig, zu tun, das hei ß t sofortige Streuung. Meiner Meinung nach kann er eine solche Wirkung aus f ü nfzehn Zentimeter Entfernung erzielt haben. Da gibt es nichts R ä tselhaftes.«
Bosch sah auf seine Uhr und stand auf.
» Letzte Frage.«
» Meinetwegen. Ich habe mich sowieso schon um Kopf und Kragen geredet. Hoffentlich gehst du mit der Information, die ich dir gegeben habe, vorsichtig um.«
» Selbstverst ä ndlich. Also, letzter Punkt: nicht zu identifizierende Abdr ü cke. Wieviele Abdr ü cke stimmten nicht mit Moores ü berein? «
» Kein einziger … Ich habe mich schon gefragt, ob das jemanden interessieren w ü rde.«
Bosch setzte sich wieder hin. Das pa ß te nicht zusammen. Ein Motelzimmer war wie eine Hure. Jeder Kunde l äß t etwas zur ü ck – ganz egal, ob die Zimmer nach jedem Gast aufger ä umt und sauber gemacht wurden. Es gab immer etwas, das zur ü ckblieb. F ü r Harry war es nicht vorstellbar, da ß Donovan jede Oberfl ä che nach Abdr ü cken untersucht hatte und nur welche von Moore gefunden hatte.
» Was soll das hei ß en, es hat niemanden interessiert? «
» Niemand hat irgendeinen Furz rausgelassen. Ich habe es Sheehan und dem DIE-Idioten, der ihm hinterherl ä uft, gesagt, und sie reagierten, als ob es nichts zu bedeuten h ä tte. ›Keine anderen Abdr ü cke, na und!‹, war ihre ganze Reaktion. Wahrscheinlich haben sie noch nie mit einer Leiche in einem Motelzimmer zu tun gehabt. Mann, ich hatte bef ü rchtet, da ß ich noch bis Mitternacht zu Gange sein w ü rde. Aber die einzigen Abdr ü cke, die gesichert werden mu ß ten, waren die von Moore. Das war das gottverdammt sauberste Motelzimmer, das mir je untergekommen ist. Ich habe sogar den Laser benutzt, aber nichts au ß er Wischspuren vom Saubermachen gesehen. Wenn du mich fragst, Harry, das Motel sah nicht aus, als ob der Manager gro ß en Wert auf Sauberkeit legt.«
» Ich nehme an, du hast das Sheehan erz ä hlt? «
» Nachdem ich mit der Spurensicherung fertig war. Ich wollte nicht, da ß sie den Eindruck hatten, ich wollte so schnell wie m ö glich nach Hause, weil Weihnachten war. Aber sie haben nur gesagt: ›Gut, das war’s dann. Gute Nacht! Frohe Weihnachten!‹ Ich bin dann los. Schei ß der Hund drauf! «
Bosch dachte ü ber Sheehan, Chastain und Irving nach. Sheehan war kompetent. Aber vielleicht hatte er einen Fehler gemacht, weil die zwei anderen ihm st ä ndig ü ber die Schulter schauten. Mit hundertprozentiger Ü berzeugung, da ß es sich um Selbstmord handelte, waren sie am Tatort eingetroffen. Sogar einen Abschiedsbrief hatten sie entdeckt. Wahrscheinlich h ä tte nur ein Messer in Moores R ü cken ihre Meinung ge ä ndert. Das Fehlen anderer Fingerabdr ü cke sowie die abgefeilte Seriennummer auf der Schrotflinte h ä tte jedoch ihre Gewi ß heit auf fifty-fifty reduzieren m ü ssen. Trotzdem blieben sie fest bei ihrer Annahme. Harry begann sich zu fragen, ob die Autopsie die Selbstmordhypothese untermauern w ü rde.
Nachdem er sich bei Donovan f ü r die Information bedankt hatte, stand er auf und ging.
Ü ber das
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