Harry Bosch 02 - Schwarzes Eis
Stock, von dem aus man Downtown sehen konnte. Das Warfield war 1911 von George Allan Hancock erbaut worden und hatte au ß en noch nichts vom Glanz seiner Beaux-Arts-Architektur und der blau-grauen Terrakottafassade eingeb üß t. Die franz ö sischen Lilien und Ornamente am Warfield bezeugten immer noch aller Welt, da ß George mit seinen Ö ldollars nicht geknausert hatte. Aber es war das Innere des Geb ä udes – des heutigen Inneren –, was Bosch nicht behagte. Vor ein paar Jahren war es von einer japanischen Firma gekauft und anschlie ß end komplett umgebaut und renoviert worden. Die W ä nde in den Apartments waren herausgerissen worden, so da ß jede Wohnung aus einem einzigen langen, sterilen Raum mit imitiertem Parkett, rostfreien Arbeitsfl ä chen und Strahlern auf Stromschienen bestand. Nur noch eine sch ö ne H ü lle, dachte Bosch und war sich sicher, da ß George seine Meinung teilen w ü rde.
Bei ihm zu Hause unterhielten sie sich auf der Veranda, w ä hrend er mit dem Grillen begann. Heiligabend hatte er Orange-Roughy gekauft. Das Fischfilet war gro ß genug f ü r zwei und immer noch frisch. Teresa erz ä hlte ihm, da ß die County Commission wahrscheinlich noch vor Neujahr einen Direktor der Gerichtsmedizin bestellen w ü rde. Er w ü nschte ihr viel Gl ü ck, war sich aber nicht sicher, ob es ehrlich gemeint war. Der Posten war in den Parteienfilz verstrickt, und sie w ü rde ihr F ä hnchen nach dem Wind h ä ngen m ü ssen. Warum sollte man sich auf so etwas einlassen? Er wechselte das Thema.
» Wenn dieser Juan Doe also unten in Mexican war – in der N ä he der Zuchtlabors –, wie ist dann seine Leiche nach Los Angeles gelangt? «
» Das ist nicht mein Ressort.« Sie stand am Gel ä nder und blickte in das Tal mit seinen Millionen Lichtern, die in der klaren, kalten Luft funkelten. Sie hatte seine Jacke ü ber die Schultern gelegt. Harry bestrich den Fisch mit einer Ananasso ß e und drehte ihn dann um.
» Hier beim Feuer ist es warm «, sagte er und machte sich weiter am Fisch zu schaffen. » Vielleicht soll niemand diese Vertragsfirma des USDA untersuchen, verstehst du. Die Leiche soll nicht mit dem Labor in Verbindung gebracht werden. Also schaffen sie sie weit weg.«
» Okay. Aber bis nach L. A.? «
» Vielleicht haben sie … Ach, ich wei ß nicht. L. A. ist wirklich weit weg.«
Ein paar Augenblicke hingen sie beide schweigend ihren Gedanken nach. Bosch h ö rte, wie die Ananasso ß e auf die Kohlen tropfte und aufzischte. Ihr Aroma verbreitete sich allm ä hlich ü ber die Veranda. » Wie schmuggelt man eigentlich eine Leiche ü ber die Grenze? «
» Es sind sicher schon gr öß ere Sachen r ü bergebracht worden, oder nicht? «
Er nickte.
» Bist du schon mal da gewesen, Harry, in Mexicali? «
» Nur durchgefahren auf dem Weg nach Bahia San Felipe, wo ich letzten Sommer fischen war. Nie dort angehalten. Und du? «
» Nie.«
» Kennst du den Namen der Stadt auf der anderen Seite der Grenze, auf unserer Seite? «
» Nein.«
» Calexico.«
» Mach keine Witze. Ist das, wo …«
» Genau.«
Der Fisch war fertig. Er legte ihn auf eine Platte und deckte den Grill zu. Sie gingen hinein. Zum Fisch servierte er Spanischen Reis, den er mit Pico Pico zubereitet hatte, und ö ffnete eine Flasche Rotwein. Blut der G ö tter. Wei ß en hatte er nicht. Nachdem alles f ü rs Essen fertig war, bemerkte er ihr L ä cheln auf ihrem Gesicht.
» Du h ä ttest von mir eher ein Fertiggericht erwartet, stimmt’s? «
» Der Gedanke kam mir. Es sieht wunderbar aus.«
Sie stie ß en mit den Gl ä sern an und a ß en schweigend. Sie lobte das Essen, aber er wu ß te, da ß der Fisch ein bi ß chen zu trocken war. Sie verfielen wieder in Smalltalk. Er wartete die ganze Zeit auf eine Gelegenheit, sie ü ber die Moore-Autopsie zu befragen. Sie kam erst, als sie ihre Serviette nach dem Essen auf den Tisch legte.
» Was wirst du jetzt machen? « fragte sie.
» Ich werde wohl den Tisch abr ä umen und dann …«
» Nein. Du wei ß t, was ich meine. Wegen Juan Doe.«
» Ich bin mir nicht sicher. Ich will noch mal mit Porter reden. Wahrscheinlich dem USDA einen Besuch abstatten. Ich w üß te gern mehr dar ü ber, wie die Fliegen von Mexiko hierher kommen.«
Sie nickte. » Ruf mich an, falls du den Entomologen sprechen willst. Ich kann ein Treffen arrangieren.«
Er beobachtete sie, wie ihre Augen wieder ins Leere zu starren begannen.
» Wie steht’s mit dir? « fragte er. » Was wirst
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