Harry Bosch 02 - Schwarzes Eis
Weg ü ber den Platz mu ß ten sie sich der Kinder erwehren, die ihnen etwas verkaufen wollten.
Im Auto fragte Bosch dann: » Wie f ü hren wir die Identifizierung ohne Fingerabdr ü cke durch? «
Aguila nahm die Akte vom Sitz. » Wir werden seinen Freunden und seiner Frau die Fotos zeigen.«
» Wir fahren zu einem Haus? Da k ö nnte ich ja Fingerabdr ü cke sicherstellen und mit nach L. A. nehmen. Jemand k ö nnte sie dort vergleichen und die Identit ä t best ä tigen.«
» Es ist kein Haus, Detective Bosch, es ist eine H ü tte.«
Bosch nickte und lie ß den Motor an. Aguila wies ihm den Weg. Sie fuhren nach S ü den zum Boulevard Lazaro Cardenas und auf ihm ein kurzes St ü ck nach Westen, bis sie wieder auf der Avenida Canto Rodado die Richtung nach S ü den einschlugen.
» Wir fahren zum Barrio «, erkl ä rte Aguila. » Es hat den Namen Ciudad de los Personas Perdidos, Stadt der verlorenen Seelen.«
» Das ist die Bedeutung der T ä towierung, stimmt’s? Das Gespenst? Die verlorenen Seelen? «
» Ja, das ist richtig.«
Bosch dachte einen Moment nach, bevor er fragte: » Wie weit ist es von den Verlorenen Seelen zu den Heiligen und S ü ndern? «
» Es ist ebenfalls im S ü dwestsektor. Nicht weit. Ich kann es Ihnen zeigen, wenn Sie wollen.«
» Mal sehen.«
» Gibt es einen Grund, warum Sie fragen? «
Bosch dachte an Corvos Warnung, nicht der ö rtlichen Justizpolizei zu trauen.
» Reine Neugierde «, antwortete er. » Ein anderer Fall.«
Sofort bekam er Gewissensbisse, weil er Aguila nicht die Wahrheit gesagt hatte. Er war ein Polizist, und Bosch fand, da ß er ihm im Zweifelsfalle trauen sollte. Corvo war allerdings anderer Ansicht gewesen. Sie fuhren schweigend weiter und entfernten sich von der Stadt. Der Zustand der Geb ä ude und Stra ß en wurde schlechter. Firmen, Gesch ä fte und Restaurants verschwanden. Statt dessen waren jetzt mehr und mehr Baracken und H ü tten aus Pappe zu sehen. Harry sah am Stra ß enrand den Transportkarton eines K ü hlschranks, in dem jemand hauste. Die Menschen, an denen sie vorbeikamen, sa ß en auf verrosteten Motoren und Ö lf ä ssern und starrten den Wagen mit hohlen Augen an. Bosch sah weg und richtete seinen Blick nach vorne auf die staubige Stra ß e.
» Ich hab’ geh ö rt, da ß man Sie Charlie Chan nennt. Wieso? «
Er fragte haupts ä chlich, weil er nerv ö s war, und hoffte, da ß Unterhaltung ihn von seiner Befangenheit und dem Elend drau ß en ablenken w ü rde.
» Ich bin Chinese «, sagte Aguila.
Bosch drehte sich zur Seite und sah ihn an. Von der Seite konnte er die Augenwinkel hinter der Sonnenbrille sehen. Es war zu erkennen.
» Teilweise sollte ich sagen. Einer meiner Gro ß v ä ter. Es gibt eine gro ß e chinesisch-mexikanische Gemeinde in Mexicali.«
» Ach so.«
» Mexicali wurde um 1900 von der Colorado River Land Company gegr ü ndet. Ihnen geh ö rte viel Land auf beiden Seiten der Grenze, und sie brauchten billige Arbeitskr ä fte, um Baumwolle zu pfl ü cken und Gem ü se zu ernten «, erkl ä rte Aguila. » Sie gr ü ndeten Mexicali. Auf der anderen Seite von Calexico. Als Spiegelbild. Wenigstens war das der Plan. Dann brachten sie zehntausend Chinesen ins Land, alles M ä nner, und bauten eine Firmenstadt.«
Bosch nickte. Er hatte die Geschichte noch nie geh ö rt und fand sie interessant. Auf der Fahrt durch die Stadt waren ihm die vielen chinesischen Restaurants aufgefallen, aber er konnte sich nicht erinnern, Asiaten gesehen zu haben.
» Sind sie alle geblieben … Die Chinesen? «
» Die meisten. Aber ich sagte schon, zehntausend M ä nner, keine Frauen. Die Gesellschaft lie ß es nicht zu. Sie hatten Angst, die Arbeit w ü rde darunter leiden. Sp ä ter kamen einige Frauen. Aber in den meisten F ä llen heirateten die M ä nner in mexikanische Familien ein. Das Blut hat sich vermischt. Aber wie Sie wahrscheinlich gesehen haben, wurde von der Kultur viel bewahrt. Wir werden zur Siesta chinesisch essen gehen, okay? «
» Einverstanden.«
» Die Polizei ist in den H ä nden der traditionellen Mexikaner. Es gibt nicht viele Mischlinge wie mich bei der Justizpolizei. Deshalb nennen sie mich Charlie Chan. F ü r die anderen bin ich ein Au ß enseiter.«
» Ich glaube, ich kenne das Gef ü hl.«
» Der Zeitpunkt wird kommen, Detective Bosch, wo Sie mir trauen werden. Mir macht es nichts aus zu warten, bis Sie ü ber den anderen Fall sprechen wollen.«
Bosch nickte. Er sch ä mte sich und versuchte sich aufs
Weitere Kostenlose Bücher