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Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Titel: Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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am Nachmittag über die Folgen des Prozeßausgangs gesagt hatte, verschwieg aber, daß der Assistant Chief seine Mutter gekannt hatte. Irvings Geschichte ging ihm durch den Kopf, und zum erstenmal, seit er ins Bett gekommen war, fühlte er ein Verlangen nach einer Zigarette.
    Aber er stand nicht auf. Er verdrängte das Bedürfnis, und sie lagen danach eine Weile still. Bosch hielt seine Augen in der Dunkelheit offen. Seine Gedanken befaßten sich mit Edgar und sprangen dann zu Mora. Er fragte sich, was er jetzt im Moment tat. War er alleine im Dunklen? War er draußen auf der Suche?
    »Ich meine wirklich, was ich heute gesagt habe, Harry«, sagte Sylvia.
    »Was?«
    »Daß ich alles über dich wissen will, deine Vergangenheit, das Gute und das Schlechte. Und ich möchte, daß du mich kennst … Ignorier das nicht. Es könnte uns weh tun.«
    Ihre Stimme hatte etwas von der schläfrigen Süße verloren. Er schwieg und schloß die Augen. Diese Sache war ihr wichtiger als alles andere. Sie war in einer früheren Beziehung gescheitert, weil die Geschichten der Vergangenheit nicht als Bausteine für eine gemeinsam Zukunft verwendet wurden. Er führte seine Hand nach oben und rieb mit dem Daumen ihren Nacken. Sie roch immer nach Puder hinterher, dachte er, obwohl sie noch nicht ins Badezimmer gegangen war. Es war ihm ein Rätsel. Nach einer Weile antwortete er ihr.
    »Du mußt mich ohne Vergangenheit nehmen … Ich habe mich davon gelöst und will nicht wieder zurück, um sie zu analysieren, von ihr zu erzählen. Ich will noch nicht einmal daran denken. Ich habe mein ganzes Leben damit verbracht, es hinter mich zu bringen. Verstehst du? Nur weil eine Anwältin es mir im Gerichtssaal um die Ohren hauen kann, bedeutet es nicht, daß ich …«
    »Was? Sprich.«
    Er antwortete nicht. Er schmiegte sich an sie, küßte und umarmte sie. Nur halten wollte er sie und nicht in den Abgrund schauen.
    »Ich liebe dich« sagte sie.
    »Ich liebe dich auch«, sagte er.
    Sie schmiegte sich enger an ihn und legte ihr Gesicht an seinen Hals. Ihre Arme hielten ihn fest, so als ob sie Angst hätte.
    Es war das erste Mal, daß er das zu ihr gesagt hatte. Es war das erste Mal, soweit er sich erinnern konnte, daß er es überhaupt zu jemandem gesagt hatte. Vielleicht hatte er es nie gesagt. Es war ein gutes Gefühl, fast greifbar – wie eine warme Blume, die sich tiefrot in seiner Brust öffnete. Und er merkte, daß er es war, der ein bißchen Angst hatte. Als ob er durch seine Worte eine große Verantwortung auf sich geladen hätte. Es war beängstigend und gleichzeitig aufregend. Er dachte daran, wie er im Spiegel gelächelt hatte.
    Sie umarmte ihn, und er spürte ihren Atem im Nacken. Kurze Zeit später wurde ihr Atmen regelmäßiger, und sie schlief ein.
    Bosch lag wach da und hielt sie lange in seinen Armen. Er konnte nicht einschlafen, und mit der Schlaflosigkeit kamen alte Zweifel hoch, die ihm das gute Gefühl raubten, das er noch vor ein paar Minuten hatte. Er hatte darüber nachgedacht, was sie über Verrat und Vertrauen gesagt hatte. Und er wußte, daß ihre Liebe, die sie sich in dieser Nacht versprochen hatten, scheitern würde, wenn sie auf Täuschung basierte. Was sie gesagt hatte, war wahr. Er würde ihr sagen müssen, wer er war und was er war, wenn seine Worte nicht nur Worte bleiben sollten. Ihm fiel ein, daß Richter Keyes gesagt hatte, daß Worte an sich schön und häßlich sein können. Bosch hatte das Wort Liebe ausgesprochen. Jetzt lag es an ihm, ob es häßlich oder schön war.
    Die Fenster des Schlafzimmers waren an der Ostseite des Hauses, und als das erste Licht der Morgenröte auf die Jalousien fiel, schloß Bosch endlich die Augen und schlief ein.

22
    Bosch sah zerknittert und unausgeschlafen aus, als er am Freitag morgen den Gerichtssaal betrat. Belk war schon dort und schrieb eifrig auf seinem gelben Block. Er sah auf und betrachtete ihn mit abschätzigem Blick, während Bosch sich hinsetzte.
    »Sie sehen aus wie ein Stück Scheiße und stinken wie ein Aschenbecher. Die Jury wird sofort merken, daß das der Anzug und die Krawatte von gestern sind.«
    »Ein klares Zeichen, daß ich schuldig bin.«
    »Lassen Sie die Witze. Man kann nie wissen, was bei einem Geschworenen letztendlich den Ausschlag gibt.«
    »Es ist mir egal. Außerdem sind Sie es, der heute eine gute Figur machen muß, Belk.«
    Es war nicht das Ermunterndste, was man einem Mann sagen konnte, der mindestens siebzig Pfund Übergewicht hatte und

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