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Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Titel: Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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jedesmal, wenn der Richter ihn ansah, in Schweiß ausbrach.
    »Was zum Teufel soll das heißen, es ist Ihnen egal. Heute steht alles auf dem Spiel, und sie tanzen hier an, als ob Sie in Ihrem Auto geschlafen hätten, und erklären, es ist Ihnen egal.«
    »Ich bin entspannt. Ich nenne es ›Zen und die Kunst, auf alles zu scheißen‹.«
    »Warum erst jetzt, Bosch? Vor zwei Wochen hätte ich einen fünfstelligen Vergleich aushandeln können.«
    »Weil ich inzwischen weiß, daß es wichtigere Sachen gibt, als was zwölf meiner sogenannten Mitbürger denken. Selbst wenn sie mich als Mitbürger auf den Straßen nicht grüßen würden.«
    Belk sah auf seine Uhr. »Lassen Sie mich in Frieden, Bosch. In zehn Minuten fangen wir an, und ich will fertig sein. Ich arbeite immer noch am Plädoyer. Es wird noch kürzer sein, als Keyes verlangte.«
    Der Richter hatte vorher während des Prozesses entschieden, daß die Schlußplädoyers jeder Seite nicht länger als eine halbe Stunde sein sollten. Dies sollte so aufgeteilt sein, daß die Klägerseite, vertreten durch Chandler, zwanzig Minuten plädieren sollte, gefolgt vom Anwalt des Beklagten, Belk, der dreißig Minuten hatte. Danach hatte die Klägerseite noch einmal zehn Minuten für ihre Argumente. Chandler würde das erste und das letzte Wort haben. Noch ein Beweis, dachte Bosch, daß die Justiz ihm die schlechteren Karten gab.
    Bosch blickte hinüber zum Tisch der Klägerin und sah Deborah Church allein dort sitzen, ihr Blick starr nach vorne gerichtet. Die beiden Töchter saßen hinter ihr in der ersten Reihe der Zuschauerbänke. Chandler war nicht da, aber ihre Akten und Schreibblöcke lagen auf dem Tisch. Sie war in der Nähe.
    »Schreiben Sie an Ihrer Rede«, sagte er zu Belk. »Ich lasse sie allein.«
    »Kommen Sie nicht zu spät zurück. Nicht schon wieder.«
     
    Wie er gehofft hatte, stand Chandler mit einer Zigarette draußen bei der Statue. Sie warf ihm einen eiskalten Blick zu, sagte nichts und entfernte sich ein paar Schritte von dem Aschenkübel, um ihn zu ignorieren. Sie trug ihr blaues Kostüm – wahrscheinlich ihr Glücksbringer –, und die einzelne blonde Strähne hatte sich wieder im Nacken aus dem geflochtenen Haar gelöst.
    »Generalprobe?« fragte Bosch.
    »Ich brauche nicht zu proben. Jetzt kommt der leichteste Teil.«
    »Das ist anzunehmen.«
    »Was soll das heißen.«
    »Ich weiß nicht. Wahrscheinlich müssen Sie sich beim Plädoyer nicht ganz so strikt an Gesetze halten. Es gibt nicht so viele Regeln, die Ihnen vorschreiben, was Sie sagen dürfen und was nicht. Sie können in Ihrem Element sein.«
    »Scharf beobachtet.«
    Das war alles, was sie sagte. Es gab kein Anzeichen, daß sie wußte, daß ihr Arrangement mit Edgar entdeckt worden war. Bosch hatte das erwartet, als er in Gedanken durchgegangen war, was er zu ihr sagen würde. Nachdem er von seinem kurzen Schlaf aufgewacht war, hatte er die Ereignisse des gestrigen Abends noch einmal mit klarem Verstand durchdacht und etwas entdeckt, das ihm vorher entgangen war. Er hatte sich entschlossen, sie für sein Spiel einzusetzen. Als erstes hatte er ihr einen leichten Ball zugeworfen, jetzt kam einer mit Topspin.
    »Wenn das alles vorbei ist«, sagte er, »hätte ich gerne den Brief.«
    »Welchen Brief?«
    »Den Brief, den Ihnen der Nachahmungstäter geschickt hat.«
    Der Schock stand ihr in den Augen, und wurde aber gleich wieder durch den unbeteiligten Blick, den sie ihm normalerweise zeigte, überdeckt. Aber sie war nicht schnell genug gewesen. Ihre Augen hatten ihm verraten, daß sie Gefahr witterte. Jetzt wußte er, daß er sie in der Hand hatte.
    »Es ist ein Beweisstück«, sagte er.
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden, Detective Bosch. Ich muß wieder hinein.«
    Sie drückte ihre halbgerauchte Zigarette mit Lippenstiftspuren in dem Kübel aus und machte dann zwei Schritte auf die Tür zu.
    »Ich weiß über Edgar Bescheid. Ich sah sie gestern abend zusammen.«
    Das ließ sie innehalten. Sie drehte sich um und sah ihn an.
    »Im Hung Jury. Eine Bloody Mary an der Bar.«
    Sie überlegte sich ihre Antwort sorgfältig und sagte dann: »Ich bin sicher, daß er es so dargestellt hat, daß es ihn im besten Licht zeigt. An Ihrer Stelle würde ich mich davor hüten, damit an die Öffentlichkeit zu gehen.«
    »Ich werde mit nichts an die Öffentlichkeit gehen … Es sei denn, Sie geben mir nicht das Schreiben. Unterschlagung von Beweisstücken ist auch ein Verbrechen. Aber das muß ich Ihnen sicher

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