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Harry Bosch 09 - Letzte Warnung

Harry Bosch 09 - Letzte Warnung

Titel: Harry Bosch 09 - Letzte Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Regeln mehr sind. Bis so etwas wie Gerechtigkeit für eine ermordete und geschändete Frau keine Rolle mehr spielt. Das ist, was da draußen wirklich läuft.«
    Peoples beugte sich vor. Er war kurz davor zu platzen, und er wollte hundert Prozent sichergehen, dass ich es mitbekam.
    »Wissen Sie, wohin Aziz mit diesem Geld unterwegs war? Wir wissen es zwar nicht, aber ich kann Ihnen sagen, wohin ich glaube, dass er damit wollte. Zu einem Ausbildungscamp. Einem Ausbildungscamp für Terroristen. Und ich spreche hier nicht von irgendeinem Camp in Afghanistan. Ich spreche hier von einem Camp hundertfünfzig Kilometer von unserer Grenze. Von einem Lager, in dem sie Leute dafür ausbilden, uns zu töten. In unseren Häusern, in unseren Flugzeugen. In unserem Schlaf. Sie bilden sie aus, über die Grenze zu kommen und uns zu töten, und zwar völlig unabhängig davon, wer wir sind oder woran wir glauben. Wollen Sie mir da etwa erzählen, was ich tue, ist falsch? Dass wir nicht alles daran setzen sollten, so ein Lager zu finden, falls es existiert? Dass wir nicht alle nur erdenklichen Maßnahmen ergreifen sollten, die nötig sind, um von diesem Mann die Informationen zu erhalten, die wir von ihm haben wollen?«
    Ich lehnte mich zurück, bis mein Rücken die Wand berührte. Hätte ich eine Tasse Kaffee gehabt, hätte ich sie nicht so ignoriert wie er die seine.
    »Ich werde Ihnen gar nichts erzählen«, sagte ich. »Jeder tut, was er tun muss.«
    »Toll«, sagte er sarkastisch. »Welch weise Worte. Ich werde sie mir auf eine Tafel schreiben und in meinem Büro aufhängen.«
    »Ich war mal bei einem Prozess, bei dem die Anwältin der Gegenseite etwas gesagt hat, was ich mir immer vor Augen zu halten versuche. Sie zitierte einen Philosophen, dessen Name mir jetzt aus dem Stegreif nicht einfällt – aber zu Hause habe ich ihn mir aufgeschrieben. Jedenfalls sagte dieser Typ, dass alle, die da draußen gegen die Ungeheuer unserer Gesellschaft kämpfen, verdammt gut aufpassen sollten, dass sie nicht selbst Ungeheuer werden. Denn sonst ist alles verloren. Dann haben wir keine Gesellschaft mehr. Ich hielt das immer schon für einen guten Spruch.«
    »Nietzsche. Und Sie haben ihn fast richtig zitiert.«
    »Es geht hier nicht darum, diesen Satz richtig zu zitieren. Es geht darum, immer in Erinnerung zu behalten, was er bedeutet. Und das tue ich. Sie auch?«
    Peoples ignorierte die Frage und griff in seine Jackentasche. Er zog meine Uhr heraus. Er warf sie mir zu, und ich zog sie an. Ich schaute auf das Zifferblatt. Es war einer goldenen Dienstmarke mit der City Hall darauf nachempfunden. Ich schaute, wie spät es war, und stellte fest, dass ich länger im Bunker gesessen hatte, als ich dachte. Es war fast Morgen.
    »Verschwinden Sie hier, Bosch«, sagte Peoples. »Wenn Sie uns in dieser Angelegenheit noch mal in die Quere kommen, landen Sie hier schneller wieder, als Sie glauben. Und kein Mensch wird erfahren, dass Sie hier sind.«
    Die Drohung war nicht zu überhören.
    »Dann bin ich bei den Verschwundenen, hm?«
    »Wie Sie es nennen wollen, bleibt Ihnen überlassen.«
    Peoples hob die Hand über den Kopf, sodass die Kamera sie sehen konnte. Er drehte einen Finger in der Luft, und das elektronische Türschloss klickte, und die Tür ging ein paar Zentimeter auf. Ich stand auf.
    »Gehen Sie«, sagte Peoples. »Es wird Sie jemand nach draußen begleiten. Ich tue Ihnen damit einen Gefallen, Bosch. Vergessen Sie das nicht.«
    Ich ging zur Tür, zögerte aber, als ich an ihm vorbeikam. Ich sah auf ihn und die Akte, die er noch in der Hand hielt, hinab.
    »Sie haben bei mir zu Hause doch alles abgeholt, meine ganzen Akten, oder? Und die von Lawton Cross auch.«
    »Sie kriegen sie nicht zurück.«
    »Schon klar. Innere Sicherheit und so. Aber was ich damit eigentlich sagen wollte: Sehen Sie sich die Fotos an. Suchen Sie eins der Fotos von Angella raus, wo sie auf dem Fliesenboden liegt. Sehen Sie sich Ihre Hände an, Mann.«
    Ich ging auf die offene Tür zu.
    »Was soll mit den Händen sein?«, rief er mir hinterher.
    »Sehen Sie sich einfach ihre Hände an. Wie wir sie gefunden haben. Dann wissen Sie, was ich meine.«
    Auf dem Flur erwartete mich Parenting Today.
    »Hier lang«, sagte er barsch. Seine Enttäuschung über meine Freilassung war unübersehbar.
    Als ich den Gang hinaufging, hielt ich hinter den rechteckigen Fenstern nach Mousouwa Aziz Ausschau, sah ihn aber nicht. Ich fragte mich, ob es purer Zufall war, dass ich in das Gesicht

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