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Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Titel: Harry Bosch 15 - Neun Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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verlieren.«
    Sun deutete mit dem Kopf auf den weißen Mercedes. Er war etwa zweihundert Meter vor ihnen.
    »Wir sind bereits auf dem Weg zum Hafen. Vielleicht fahren sie auch hin.«
    Bosch nickte. Noch waren beide Ermittlungsstrategien im Spiel.
    »Haben wir noch genügend Benzin?«, fragte Bosch.
    »Es ist ein Diesel«, antwortete Sun. »Und der Tank ist voll.«
     
    Die nächste halbe Stunde fuhren sie auf der Castle Peak Road die Küste entlang. Sie hielten ausreichend Abstand zu dem weißen Mercedes, verloren ihn jedoch nie aus den Augen. Sie wechselten während des Fahrens kein Wort. Sie waren an einem Punkt, an dem beide wussten, dass es jetzt ernst wurde und es nichts mehr zu sagen gab. Entweder der weiße Mercedes oder Northstar würden sie zu Maddie Bosch führen, oder sie würden sie nie mehr zu Gesicht bekommen.
    Als die hohen Wohnsilos von Central Tuen Mun vor ihnen auftauchten, sah Bosch den Blinker des Mercedes aufleuchten. Das Auto bog links ab, fort vom Wasser.
    »Sie biegen ab«, warnte er.
    »Das ist nicht gut«, antwortete Sun. »Zum Hafen geht es geradeaus weiter. Sie fahren in eine Wohngegend.«
    Eine Weile sagten beide nichts, vermutlich in der Hoffnung, ein Plan würde von selbst Gestalt annehmen oder der Fahrer des Mercedes würde merken, dass sie geradeaus weiterfahren mussten, und seinen Kurs korrigieren.
    Nichts von beidem trat ein.
    »Und jetzt?«, fragte Sun schließlich.
    Bosch spürte ein schmerzhaftes Ziehen in seiner Brust. Von der Entscheidung, die er jetzt traf, konnte das Leben seiner Tochter abhängen. Er wusste, er und Sun konnten sich nicht trennen, so dass einer dem Mercedes gefolgt und der andere zum Hafen weitergefahren wäre. Das hier war eine Welt, in der Bosch sich nicht auskannte und ohne Hilfe auf verlorenem Posten stand. Ohne Sun war er aufgeschmissen. Er traf erneut die Entscheidung, zu der er schon nach Chus Anruf gelangt war.
    »Wir folgen nicht der Frau. Wir fahren zu Northstar.«
    Sun fuhr geradeaus weiter, und sie passierten den weißen Mercedes, als dieser nach links in die Tsing Ha Lane bog. Bosch warf einen Blick zu der langsamer werdenden Limousine hinüber. Der Mann am Steuer des weißen Mercedes schaute ebenfalls zu ihm herüber, aber nur flüchtig.
    »Scheiße«, zischte Bosch.
    »Was ist?«, fragte Sun.
    »Er hat zu mir rübergeschaut. Der Fahrer. Ich glaube, sie wissen, dass wir ihnen gefolgt sind. Ich glaube, wir liegen richtig – die Frau steckt da mit drin.«
    »Das ist doch gut.«
    »Wie bitte? Wie das denn?«
    »Falls sie gemerkt haben, dass wir ihnen folgen, sind sie vielleicht nur abgebogen, um uns von Northstar wegzulocken. Verstehen Sie?«
    »Ja. Hoffen wir mal, Sie haben recht.«
    Wenig später erreichten sie einen Industriehafen mit heruntergekommenen Lagerhäusern und Abpackbetrieben. An den Kais und Piers lagen Frachtkähne und mittelgroße seetüchtige Schiffe in zum Teil zwei bis drei Reihen nebeneinander. Das Gelände schien verlassen. Sonntags wurde nicht gearbeitet.
    Draußen auf dem Wasser lagen mehrere Fischerboote vor Anker, alle im Schutz einer langen Betonmole, die das Hafenbecken umschloss und Schutz vor Taifunen bot.
    Der Verkehr wurde schwächer, und Bosch fürchtete, der elegante schwarze Mercedes des Casinos könnte zu sehr auffallen, wenn sie sich Northstar näherten. Sun mussten ähnliche Bedenken gekommen sein. Er fuhr auf den Parkplatz eines geschlossenen Lebensmittelgeschäfts und hielt an.
    »Wir sind fast da. Ich würde vorschlagen, wir lassen das Auto lieber hier stehen.«
    »Einverstanden«, sagte Bosch.
    Sie stiegen aus und gingen das letzte Stück zu Fuß. Sie blieben dicht an den Fassaden der Lagerhäuser und hielten in allen Richtungen nach verdächtigen Personen Ausschau. Sun ging voraus, Bosch folgte ihm dichtauf.
    Northstar Seafood and Shipping befand sich an Kai sieben. Der Firmenname stand auf Chinesisch und Englisch auf dem großen grünen Lagerhaus, das direkt am Wasser stand. Davor lief ein Pier in das Hafenbecken hinaus, an dessen Seiten vier Fangboote von rund fünfundzwanzig Metern Länge mit schwarzen Rümpfen und grünen Ruderhäusern vertäut waren. Am Ende des Anlegers lag ein größeres Boot mit einem hohen Kran.
    Von seinem Standort an der Ecke eines Lagerhauses an Kai sechs konnte Bosch nichts Auffälliges erkennen. Die Tore des Northstar-Lagerhauses waren geschlossen, und auf den Kais und Schiffen schien der Betrieb übers Wochenende eingestellt. Bosch begann bereits zu fürchten, es könnte

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