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Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Titel: Harry Bosch 15 - Neun Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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lange ablenken, dass der andere in der Zwischenzeit auf dem Anleger unbemerkt zu ihrem Boot kommt.«
    Sun schob sich an Bosch vorbei und spähte um die Ecke. Er schaute zum Ende des Piers und zog sich wieder zurück.
    »Ja, mit einem Boot könnte das klappen. Soll ich das Boot besorgen?«
    »Ja, ich habe die Pistole und werde den Anleger runterlaufen, um meine Tochter von Bord zu holen.«
    Sun nickte. Er griff in seine Hosentasche und zog den Autoschlüssel heraus.
    »Da, nehmen Sie den Schlüssel. Fahren Sie einfach weg, wenn Sie Ihre Tochter haben. Machen Sie sich um mich keine Gedanken.«
    Bosch schüttelte den Kopf und holte sein Handy heraus.
    »Wir bringen uns irgendwo in der Nähe in Sicherheit, und dann rufe ich Sie an. Wir warten auf Sie.«
    Sun nickte.
    »Alles Gute, Harry.«
    Er wandte sich zum Gehen.
    »Ihnen auch«, sagte Bosch.
    Als Sun weg war, drückte sich Bosch mit dem Rücken an die Wand des Lagerhauses und stellte sich auf ein längeres Warten ein. Er hatte keine Ahnung, wie und wo Sun ein Boot organisieren wollte, aber er verließ sich darauf, dass Sun es schaffen würde und dann das Ablenkungsmanöver inszenierte, das ihm ermöglichte, an Bord des Bootes zu kommen.
    Zugleich überlegte er, ob er nicht doch die Hongkonger Polizei verständigen sollte, nachdem er jetzt seine Tochter endlich gefunden hatte. Aber er tat diesen Gedanken rasch wieder ab. Eine Schar über den Pier schwärmender Polizisten war kein Garant für die Sicherheit seiner Tochter. Er würde sich an den Plan halten.
    Als er gerade wieder um die Ecke des Lagerhauses spähen wollte, um zu sehen, was sich an Bord des Northstar-Boots tat, nahte von Süden ein Auto. Der Kühlergrill war unverkennbar. Es war ein weißer Mercedes.
    Bosch zog sich an eine Stelle zurück, wo ihm die Netze, die zum Trocknen von der Takelage zweier Boote hingen, etwas Sichtschutz vor dem nahenden Auto boten. Der weiße Mercedes verlangsamte die Fahrt, erreichte Kai sieben und fuhr auf dem Pier zu dem an seinem Ende vertäuten Boot. Es war die Limousine, der sie vom Gold Coast Hotel gefolgt waren. Ein Blick auf den Fahrer genügte Bosch, um den Mann zu erkennen, der beim Abbiegen zu ihm herübergeschaut hatte.
    Nach kurzem Überlegen gelangte Bosch zu dem Schluss, dass der Mann am Steuer des Mercedes der Mann sein musste, dessen Handy-Nummer Peng auf Madelines Handy gespeichert hatte. Er hatte die Frau und den Jungen – wahrscheinlich seine Frau und sein Sohn – als Köder ins Geo geschickt, um mit ihrer Hilfe die Person zu identifizieren, die ihm die SMS geschickt hatte. Doch dann hatte er sie, von Suns letzter Nachricht kopfscheu gemacht, nach Hause oder an einen anderen sicheren Ort gebracht, um anschließend zum Kai sieben zu fahren, wo Boschs Tochter gefangen gehalten wurde.
    Angesichts der wenigen Fakten, die Bosch vorlagen, waren das eine Menge Mutmaßungen, aber er glaubte, mit seiner Einschätzung richtig zu liegen. Außerdem sah es so aus, als sei der Mann im Mercedes im Begriff, seinen ursprünglichen Plan umzustoßen. Entweder hatte er vor, die Sache schneller durchzuziehen, die Ware an einen anderen Ort zu bringen oder – noch schlimmer – sie loszuwerden.
    Der Mercedes hielt vor dem Boot am Ende des Piers. Der Fahrer sprang heraus und ging auf der Gangway rasch an Bord. Er schrie etwas zu dem Mann in der Krankabine hinauf, blieb aber nicht stehen, sondern steuerte direkt auf das Ruderhaus zu.
    Danach passierte erst einmal nichts mehr. Nach einer Weile kam der Wächter aus der Krankabine, kletterte von der Plattform auf Deck und folgte dem Mann aus dem Mercedes ins Ruderhaus.
    Damit hatten sie einen strategischen Fehler begangen, der Bosch zu einem kurzen Vorteil verhalf. Das war seine Chance, unbemerkt zu ihrem Boot zu kommen. Er holte das Handy heraus und rief Sun an. Schon nach dem ersten Läuten schaltete sich die Mailbox ein.
    »Sun, wo sind Sie? Der Mann mit dem weißen Mercedes ist hier, und im Moment ist das Boot nicht bewacht. Lassen Sie das Ablenkungsmanöver und kommen Sie wieder zurück, damit wir hinterher sofort wegfahren können. Ich gehe jetzt an Bord.«
    Bosch steckte das Handy ein und richtete sich auf. Er spähte ein letztes Mal um die Ecke, dann schoss er aus der Deckung hervor und rannte über den Kai zum Anleger und auf das Boot zu. Um notfalls sofort das Feuer eröffnen zu können, hielt er die Pistole im Laufen mit beiden Händen schussbereit von sich gestreckt.

36
    A uf dem Pier boten Bosch immer wieder Stapel

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