Harry Bosch 15 - Neun Drachen
bringen.«
Haller lächelte und legte eine kurze Pause ein, bevor er fortfuhr. »Diese Angelegenheit wird nur im Paket verhandelt, meine Herren. Sagen Sie das Ihren Leuten.«
Haller nickte, und das Lächeln, das in krassem Widerspruch zu der unmissverständlichen Drohung stand, wich nicht von seinen Lippen. Zum Zeichen, dass sie verstanden hatten, nickten Wu und Lo und folgten Gandle aus dem Zimmer.
»Und?«, fragte Bosch Haller, als sie allein waren. »Sind wir aus dem Schneider?«
»Ja, ich glaube schon«, sagte Haller. »Ich glaube, damit ist die Sache aus der Welt. Was in Hongkong passiert, bleibt in Hongkong.«
43
B osch beschloss, nicht im Besprechungszimmer zu warten, bis die Ermittler aus Hongkong zurückkamen. Weil ihn die verbale Auseinandersetzung, die er am Tag zuvor mit Ferras gehabt hatte, noch immer beschäftigte, ging er in den Bereitschaftsraum und machte sich auf die Suche nach seinem Partner.
Ferras war jedoch nicht da, und Bosch fragte sich, ob er absichtlich mittagessen war, um einem weiteren Streit mit ihm aus dem Weg zu gehen.
Bosch sah in seinem Abteil nach, ob irgendwelche Nachrichten auf seinem Schreibtisch lagen. Es waren keine da, aber das rote Lämpchen seines Telefons blinkte. Jemand hatte ihm eine Nachricht hinterlassen. Er musste sich immer noch daran gewöhnen, sein Telefon selbst auf Nachrichten abzuhören. Im Parker Center war es im Bereitschaftsraum noch sehr antiquiert zugegangen, und es hatte keine persönlichen Anrufbeantworter gegeben. Alle Nachrichten waren an einen zentralen Anschluss gegangen, der von der Sekretärin der Abteilung betreut worden war. Sie hatte die eingegangenen Nachrichten auf Zettel geschrieben, die anschließend in den Postfächern oder auf den Schreibtischen der betreffenden Detectives hinterlegt wurden. War ein Anruf dringend, hatte die Sekretärin versucht, den Ermittler per Pager oder Handy zu erreichen.
Bosch setzte sich und gab seinen Code in das Telefon ein. Er hatte fünf Nachrichten. Die ersten drei waren Routineanrufe, die andere Fälle betrafen. Er machte sich auf einem Block Notizen und löschte die Nachrichten. Die vierte hatte am Abend zuvor Detective Wu von der Hong Kong Police Force hinterlassen. Er war gerade in Los Angeles eingetroffen und hatte in einem Hotel eingecheckt und wollte einen Termin vereinbaren. Bosch löschte sie.
Die fünfte Nachricht war von Teri Sopp aus der Abteilung Fingerabdrücke. Sie hatte um 9:15 Uhr morgens angerufen, etwa zu der Zeit, als Bosch gerade den neuen Computer seiner Tochter ausgepackt hatte.
»Harry, wir haben mit der Patronenhülse, die Sie mir gegeben haben, den elektrostatischen Verstärkungstest gemacht und einen Fingerabdruck erhalten. Und ich muss sagen, wir sind begeistert. Wir haben in der DOJ -Datenbank auch schon eine Übereinstimmung gefunden. Rufen Sie mich also so bald wie möglich an.«
Als Bosch darauf die Nummer der Abteilung wählte, schaute er über die Wand seines Abteils und sah Gandle mit den zwei HKPF -Ermittlern in das Besprechungszimmer zurückkehren. Der Lieutenant winkte Bosch, ebenfalls zu kommen. Bosch zeigte ihm mit erhobenem Finger an, dass er noch einen Moment bräuchte.
»Fingerabdrücke.«
»Könnte ich bitte Teri Sopp sprechen.«
Mit wachsender Aufregung wartete er zehn Sekunden. Selbst wenn Bo-Jing Chang wieder auf freiem Fuß und inzwischen bereits in Hongkong war, sähe die Sache völlig anders aus, wenn sein Fingerabdruck auf einer der Patronenhülsen war, mit denen John Li getötet worden war. Es wäre ein Indiz, das ihn direkt mit dem Mord in Verbindung brachte. Sie könnten Anklage gegen ihn erheben und seine Auslieferung beantragen.
»Hier Teri.«
»Harry Bosch. Ich habe gerade Ihre Nachricht erhalten.«
»Ich habe mich schon gefragt, wo Sie so lange stecken. Wir haben eine Übereinstimmung für Ihre Hülse.«
»Super. Bo-Jing Chang?«
»Ich bin noch im Labor und muss erst zu meinem Schreibtisch gehen. Es war ein chinesischer Name, aber nicht der auf der Fingerabdruckkarte, die mir Ihr Partner gegeben hat. Diese Abdrücke haben nicht übereingestimmt. Ich lege Sie kurz auf die Warteschleife.«
Sie war weg, und plötzlich bildete sich ein Riss in Boschs Hypothesen zu dem Fall.
»Harry, kommen Sie endlich?«
Bosch schaute aus seinem Abteil. Gandle hatte von der Tür des Besprechungszimmers nach ihm gerufen. Bosch deutete auf das Telefon und schüttelte den Kopf. Aber Gandle ließ sich nicht abwimmeln. Er kam aus dem Besprechungszimmer zu
Weitere Kostenlose Bücher