Harry Bosch 15 - Neun Drachen
arbeiten an den Beweisen. Es gibt immer eine Verbindung. Ich habe fünfzehn Jahre lang gemacht, was Sie machen, und Sie wissen genauso gut wie ich: Irgendetwas ergibt sich immer. Finden Sie es. So ein Lauschangriff ist eine äußerst fragwürdige Geschichte, das wissen Sie ganz genau. Mit simpler Kleinarbeit fährt man letztlich immer besser. Also, sonst noch etwas?«
Bosch spürte, wie sich sein Gesicht verfärbte. Für den Captain war der Fall damit erledigt. Was so heftig brannte, war das Wissen, dass Dodds im Grunde genommen recht hatte.
»Danke, Captain«, sagte Bosch kurz angebunden und stand auf.
Der Captain blieb mit dem Lieutenant im Besprechungszimmer, die Detectives zogen sich in Boschs Abteil zurück. Bosch schleuderte den Stift, den er in der Hand hatte, auf seinen Schreibtisch.
»Dieser Arsch«, knurrte Chu.
»Nein«, widersprach Bosch rasch. »Er hat recht, und deshalb ist er auch der Captain.«
»Und was machen wir jetzt?«
»Wir rücken Chang weiter auf die Pelle. Die Überstunden sind mir egal, und was der Captain nicht weiß, macht ihn nicht heiß. Wir behalten Chang im Auge und warten, dass er einen Fehler macht. Egal, wie lange es dauert. Notfalls mache ich es zu meinem Hobby.«
Bosch sah die anderen beiden an. Er war sicher, sie würden sich weigern, sich an einer Observierung zu beteiligen, die wahrscheinlich die Grenzen eines Achtstundentags sprengen würde.
Zu seiner Überraschung nickte Chu.
»Ich habe bereits mit meinem Lieutenant gesprochen. Er hat mich für diesen Fall freigestellt. Bei mir ginge es.« Bosch nickte und dachte zunächst, es sei falsch gewesen, Chu zu misstrauen. Doch sein nächster Gedanke war, dass sein Misstrauen berechtigt war und dass Chus Bereitschaft, sich weiter an den Ermittlungen zu beteiligen, vielleicht nur ein Vorwand war, um sich über die Ermittlungen auf dem Laufenden zu halten und Bosch auf Schritt und Tritt beobachten zu können.
Bosch wandte sich seinem Partner zu.
»Und du?«
Ferras nickte widerstrebend und deutete auf das Besprechungszimmer am anderen Ende des Bereitschaftsraums. Durch die Glaswand konnte man Dodds immer noch mit Gandle sprechen sehen.
»Dir ist doch klar, Harry, dass die zwei wissen, dass wir genau das tun werden. Sie werden uns nichts zahlen und überlassen es uns, ob wir eins drauflegen oder aussteigen. Das ist einfach nicht fair.«
»Na und?«, erwiderte Bosch. »Seit wann ist das Leben schon fair. Bist du dabei oder nicht?«
»Ich bin dabei, aber unter Einschränkungen. Ich habe eine Familie, Mann. Ich schlage mir wegen einer Observierung nicht ganze Nächte um die Ohren. Das ist bei mir nicht drin – vor allem, wenn ich es nicht mal bezahlt bekomme.«
»Alles klar, wunderbar«, sagte Bosch, obwohl sein Tonfall seine Enttäuschung über Ferras nicht verbergen konnte. »Du tust, was du kannst. Du kümmerst dich um den internen Kram, und Chu und ich nehmen uns Chang vor.«
Ferras, dem Boschs vorwurfsvoller Ton nicht entgangen war, legte schwachen Protest in seine Antwort.
»Du musst das verstehen, Harry, du hast keine Ahnung, wie das ist. Drei Kinder … versuch das mal deiner Frau zu verklickern. Dass du die ganze Nacht in einem Auto sitzt und einen Triadentypen beobachtest und am Ende keinen Cent mehr Gehalt kriegst, egal, wie viel Stunden zusätzlich du dranhängst.«
Bosch hob die Hände, wie um zu sagen:
genug geredet.
»Du hast vollkommen recht. Ich muss es niemandem verklickern. Ich muss es bloß tun. Das ist der Job.«
14
B osch saß in seinem Privatwagen und beobachtete, wie Chang bei Tsing Motors in Monterey Park seiner Arbeit nachging. Das Gelände des Gebrauchtwagenhändlers war ursprünglich eine Tankstelle aus den fünfziger Jahren mit einer kleinen Werkstatt und einem Büroanbau gewesen. Bosch hatte etwa einen halben Block weiter in der stark befahrenen Garvey Avenue geparkt, wo keine Gefahr bestand, entdeckt zu werden. Chu stand mit seinem Wagen in der anderen Richtung etwa genauso weit von Tsing Motors entfernt. Für die Observierung ihre Privatautos zu verwenden war ein Verstoß gegen die Vorschriften, aber als Bosch im Fuhrpark angefragt hatte, hatten sie keine Fahrzeuge für verdeckte Ermittlungen zur Verfügung gehabt. Sie waren also vor die Wahl gestellt gewesen, entweder eines ihrer zivilen Dienstfahrzeuge zu nehmen, die allerdings, was den Tarneffekt anging, genauso gut hätten schwarz-weiß lackiert sein können, oder gegen die Vorschriften zu verstoßen. Bosch hatte keine Probleme
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