Harry Bosch 15 - Neun Drachen
Woche wiederkommen, und dann müsste ich ihm das Geld geben.«
»Hat er etwas über den Mord an Ihrem Vater gesagt?«
»Nur, dass er tot ist und dass ich jetzt zahlen muss.«
»Hat er gesagt, was passiert, wenn Sie sich weigern?«
»Das musste er nicht.«
Bosch nickte. Li hatte recht. Die Drohung war unmissverständlich, vor allem nach dem, was Lis Vater zugestoßen war. Bosch war zuversichtlich. Changs Besuch bei Robert Li erhöhte ihre Chancen. Sein Versuch, Li zu erpressen, schuf möglicherweise die Voraussetzung, ihn festzunehmen und schließlich sogar wegen Mordes unter Anklage zu stellen.
Bosch wandte sich Lam zu.
»Und Sie haben alles mitbekommen – alles, was gesprochen wurde?«
Lam zögerte zunächst, aber dann nickte er.
Bosch nahm an, dass er nicht in die Sache hineingezogen werden wollte.
»Haben Sie nun alles mitbekommen oder nicht, Eugene? Bisher haben Sie nur gesagt, dass Sie hier waren.«
Wieder nickte Lam, bevor er antwortete.
»Ja, ich habe den Mann gesehen, aber … ich spreche kein Chinesisch. Ich verstehe es ein wenig, aber nicht besonders gut.«
Bosch wandte sich wieder Li zu.
»Er hat chinesisch mit Ihnen gesprochen?«
Li nickte.
»Ja.«
»Aber Sie haben verstanden, was er gesagt hat, und das war, dass nach dem Tod Ihres Vaters jetzt Sie die wöchentlichen Zahlungen leisten müssen.«
»Ja, das hat er gesagt. Aber …«
»Was aber?«
»Werden Sie diesen Mann jetzt verhaften? Muss ich dann vor Gericht gegen ihn aussagen?«
Diese Vorstellung machte ihm sichtlich Angst.
»Im Moment ist es noch zu früh, um sagen zu können, ob überhaupt jemand etwas von dieser Sache hier erfahren wird. Wir sind nicht wegen Erpressung hinter diesem Kerl her. Wenn er Ihren Vater umgebracht hat, wollen wir ihn deshalb drankriegen. Und ich bin sicher, Sie werden alles tun, um uns zu helfen, den Mörder Ihres Vaters hinter Gitter zu bringen.«
Li nickte zwar, aber sein Widerstreben war ihm immer noch deutlich anzusehen. Nach allem, was mit seinem Vater passiert war, wollte er eindeutig keinen Ärger mit Chang oder der Triade bekommen.
»Ich muss kurz meinen Partner anrufen«, sagte Bosch. »Deshalb gehe ich jetzt kurz nach draußen, aber ich bin gleich wieder zurück.«
Bosch verließ das Büro und schloss die Tür. Er rief Chu an.
»Sind Sie an ihm dran?«
»Ja, er fährt zum Freeway zurück. Was war?«
»Er hat Li gesagt, dass ab sofort er die Zahlungen übernehmen soll, die bisher sein Vater geleistet hat. An die Triade.«
»Klasse! Damit haben wir ihn!«
»Jubeln Sie mal lieber nicht zu früh. Wegen Erpressung kriegen wir ihn vielleicht – aber nur, wenn der junge Li mitspielt. Von einer Mordanklage sind wir immer noch meilenweit entfernt.«
Chu antwortete nicht, und plötzlich tat es Bosch leid, ihm die Freude verdorben zu haben.
»Aber grundsätzlich haben Sie natürlich recht«, fügte er deshalb hinzu. »Wir kommen der Sache schon näher. Wohin fährt er?«
»Im Moment ist er auf der rechten Spur des eins-null-eins Richtung Süden. Sieht so aus, als hätte er es eilig. Fährt seinem Vordermann ganz schön dicht auf. Hilft ihm aber nichts.«
Wie es aussah, fuhr Chang auf demselben Weg zurück, auf dem er gekommen war.
»Okay. Ich werde noch ein bisschen mit den beiden hier reden, dann mache ich mich ebenfalls auf den Weg. Rufen Sie mich an, wenn Chang irgendwo anhält.«
»Mit den beiden? Ist außer Robert Li noch jemand da?«
»Der stellvertretende Geschäftsführer. Eugene Lam. Er war bei Li im Büro, als Chang ankam, um Li klarzumachen, wie er sich das in Zukunft vorstellt. Allerdings hat Chang chinesisch mit Li gesprochen, und Lam kann nur Englisch. Als Zeuge wird er uns also nicht viel nützen, außer dass er bestätigen kann, dass Chang im Büro des Supermarkts war.«
»Okay, Harry«, sagte Chu. »Wir sind jetzt auf dem Freeway.«
»Gut, bleiben Sie an ihm dran. Ich rufe Sie wieder an, sobald ich hier aufbreche.«
Bosch klappte das Handy zu und ging in das Büro zurück. Li und Lam saßen nach wie vor an ihren Schreibtischen und warteten auf ihn.
»Haben Sie im Laden Videoüberwachung?«, fragte Bosch.
»Ja«, antwortete Li. »Das System ist das gleiche wie im anderen Geschäft. Nur dass wir hier mehr Kameras und Multiplex haben. Acht Bildschirme gleichzeitig.«
Bosch schaute an die Decke des Büros.
»Hier drinnen ist aber keine Kamera, oder?«
»Nein, Detective«, sagte Li. »Im Büro haben wir keine.«
»Trotzdem, ich brauche auf jeden Fall die DVD ,
Weitere Kostenlose Bücher