Harry Bosch 15 - Neun Drachen
klar.«
»Viel Glück.«
Chu setzte sich neben Chang auf den Rücksitz des Streifenwagens und schloss die Tür. Bosch klatschte zweimal aufs Dach und beobachtete, wie der Wagen wegfuhr.
16
E s war fast ein Uhr, als Bosch in den Bereitschaftsraum zurückkehrte. Er hatte auf den Abschleppwagen gewartet und sich dann auf der Rückfahrt Zeit gelassen und nicht weit vom Flughafen in einem In-N-Out auf einen Hamburger haltgemacht. Ignacio Ferras war in seinem Abteil und arbeitete an seinem Computer.
»Wie sieht’s aus?«, fragte Bosch.
»Die Anträge für die Durchsuchungsbeschlüsse sind fast fertig.«
»Wofür stellen wir welche?«
»Ich habe Anträge für den Koffer, das Handy und das Auto. Das Auto ist doch in der OPG , oder?«
»Gerade abgeschleppt. Was ist mit seiner Wohnung?«
»Ich habe die Hotline der Staatsanwaltschaft angerufen und der Frau dort erklärt, was wir vorhaben. Sie hat mir geraten, es in zwei Schritten zu probieren. Zuerst diese drei zu beantragen und zu sehen, ob wir damit etwas finden, was uns einen berechtigten Grund für die Wohnung liefert. Sie meinte, die Wohnung wäre bei dem, was wir bisher haben, eher unwahrscheinlich.«
»Okay, hast du schon einen Richter, der sich darum kümmert?«
»Ja, ich habe Richterin Champagnes Sekretärin angerufen. Sie schiebt mich dazwischen, sobald ich so weit bin.«
Es hörte sich an, als ob Ferras alles im Griff hätte und gut vorankam. Bosch war beeindruckt.
»Hört sich gut an. Wo ist Chu?«
»Soweit ich weiß, ist er im Videoraum, den Typen beobachten.«
Bevor er zu Chu hineinschaute, ging Bosch in sein Abteil und warf seine Schlüssel auf den Schreibtisch. Chu hatte Changs schweren Koffer darin abgestellt und die anderen Habseligkeiten des Verdächtigen in Tüten gepackt und auf den Schreibtisch gelegt. Die Beweismitteltüten enthielten Changs Geldbörse, Pass, Geldspange, Schlüsselbund und Handy sowie einen Boarding Pass, den er anscheinend zu Hause ausgedruckt hatte.
Bosch sah durch das Plastik auf den Boarding Pass und stellte erstaunt fest, dass Chang einen Alaska-Airlines-Flug nach Seattle gebucht hatte. Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass Chang nach China fliegen würde. Ein Flugticket nach Seattle stützte nicht gerade die Unterstellung, der Verdächtige habe das Land verlassen wollen, um sich der Strafverfolgung zu entziehen.
Bosch legte die Tüte zurück und griff nach der Tüte mit dem Handy. Es wäre ein Leichtes gewesen, schnell das Anrufverzeichnis nach den Nummern von Changs Kontakten zu durchsuchen. Unter Umständen fände er sogar den Anruf von einer Nummer, die einem Cop aus Monterey Park oder Chu oder sonst jemandem gehörte, der Chang auf das gegen ihn laufende Ermittlungsverfahren aufmerksam gemacht hatte. Vielleicht enthielt das Handy E-Mails oder SMS , die ihnen halfen, Anklage wegen Mordes gegen Chang zu erheben.
Doch Bosch beschloss, sich an die Regeln zu halten. Hier handelte es sich um eine Grauzone, und sowohl Polizeiführung als auch Staatsanwaltschaft hatten Richtlinien herausgegeben, denen zufolge Polizisten auf dem Handy eines Verdächtigen gespeicherte Daten nur mit Zustimmung eines Gerichts einsehen durften. Außer der Verdächtige selbst hatte die Genehmigung dazu erteilt. Die Einsichtnahme in die Daten eines Handys wurde genauso behandelt wie das Öffnen eines Kofferraums bei einer Verkehrskontrolle. Ging man dabei nicht korrekt vor, lief man Gefahr, dass nichts von dem, was man in diesem Kofferraum fand, vor Gericht als Beweismittel zugelassen wurde.
Bosch legte das Handy auf den Schreibtisch zurück. Vielleicht enthielt es den Schlüssel zur Lösung des Falls, aber er wollte auf Richterin Champagnes Zustimmung warten. Im selben Moment begann das Telefon auf seinem Schreibtisch zu summen. Die Anrufererkennung zeigte XXXXX an. Das hieß, der Anruf war vom Parker Center durchgestellt worden. Er nahm ab.
»Hier Bosch.«
Niemand meldete sich.
»Hallo. Hier Detective Bosch, was kann ich für Sie tun?«
»Bosch … Sie können für sich selbst was tun.«
Die Stimme hatte einen deutlichen asiatischen Einschlag.
»Wer ist da bitte?«
»Tun Sie sich einen Gefallen und lassen Sie die Finger von der Sache, Bosch. Chang ist nicht allein. Wir sind viele. Lassen Sie die Finger davon. Wenn nicht, wird das Folgen haben.«
»Jetzt hören Sie mal zu, Sie …«
Der Anrufer hatte aufgehängt.
Bosch legte das Telefon zurück auf die Feststation und sah auf das leere Display. Er wusste, er konnte sich an
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