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Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Titel: Harry Bosch 15 - Neun Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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an ein Footballtor erinnert hatten.
    Die dritte Bildebene hinter den Hochhäusern bildete ein Bergzug mit einem schüsselförmigen, auf zwei dicken Säulen ruhenden Bauwerk.
    »Hilft dir das weiter, Harry?«
    »Ja, auf jeden Fall. Das Zimmer muss in Kowloon sein. Der Blick reicht über den Hafen hinweg nach Central und weiter zu der Bergspitze dahinter. Das Hochhaus mit den Torpfosten auf dem Dach ist die Bank of China. Ein berühmter Teil der Skyline. Und der Berg dahinter ist der Victoria Peak. Das Gebäude unterhalb des Gipfels, das man durch die Torpfosten sieht, gehört zu einem Aussichtspunkt in der Nähe des Peak Tower. Damit man das alles so im Fenster gespiegelt sieht, muss das Zimmer auf der anderen Seite des Hafens in Kowloon sein.«
    »Da ich nie in Hongkong war, kann ich dazu leider nichts sagen.«
    »Central Hongkong ist eigentlich eine Insel. Aber es ist von anderen Inseln umgeben, und auf der anderen Seite des Hafens befinden sich Kowloon und die sogenannten New Territories.«
    »Hört sich ein bisschen kompliziert an. Aber wenn es dir weiterhilft …«
    »Es hilft mir enorm. Kannst du mir das ausdrucken?«
    Er deutete auf den zweiten Monitor, auf dem der Bildausschnitt mit dem Fenster zu sehen war.
    »Natürlich. Eines ist allerdings komisch.«
    »Was?«
    »Siehst du diese Spiegelung hier im Vordergrund?«
    Sie machte mit dem Cursor ein Kästchen um die Buchstaben N und O, die Teil eines englischen Worts waren.
    »Sicher. Was soll daran komisch sein?«
    »Wie gesagt, handelt es sich hier um eine Spiegelung in einem Fenster. Es ist also, wie in einem Spiegel, alles spiegelverkehrt zu sehen.«
    »Ja. Und?«
    »Das heißt, wir müssten eigentlich alles spiegelverkehrt sehen, aber diese Buchstaben sind nicht spiegelverkehrt. Beim
O
kann man das natürlich nicht sagen. Es sieht normal und spiegelverkehrt gleich aus. Aber das
N
ist nicht spiegelverkehrt, Harry. Berücksichtigt man also, dass es sich hier um ein Spiegelbild handelt, bedeutet das …«
    »Der Schriftzug ist spiegelverkehrt?«
    »Ja. Muss er sein, um in einer Spiegelung richtig zu sehen zu sein.«
    Bosch nickte. Sie hatte recht. Es war eigenartig, aber nichts, womit er sich im Moment aufhalten wollte. Er musste Eleanor anrufen und ihr sagen, dass ihre Tochter vermutlich in Kowloon festgehalten wurde. Vielleicht ergänzte es sich mit etwas, das sie herausgefunden hatte. Es war zumindest ein Anfang.
    »Kannst du mir das bitte ausdrucken?«
    »Bin gerade dabei. Es ist ein Drucker mit hoher Auflösung, deshalb dauert es ein paar Minuten.«
    »Ach so.«
    Bosch suchte auf dem Monitorbild nach weiteren Details, die ihm weiterhelfen könnten. Besonders aufmerksam studierte er das Spiegelbild des Hauses, in dem seine Tochter festgehalten wurde. Unter mehreren Fenstern standen die Gehäuse altmodischer Klimaanlagen aus der Fassade. Das hieß, es war ein älteres Haus, und das wiederum half ihm vielleicht, es zu finden.
    »Kowloon«, sagte Starkey. »Klingt irgendwie ominös.«
    »Es bedeutet ›Neun Drachen‹. Weiß ich von meiner Tochter.«
    »Na, was sage ich denn? Wer nennt sein Viertel schon Neun Drachen, wenn er nicht alle verscheuchen will?«
    »Einer alten Legende zufolge musste der Kaiser vor den Mongolen fliehen, als er noch ein kleiner Junge war, und es verschlug ihn in das Gebiet des heutigen Hongkong. Als er die acht Bergspitzen sah, von denen es umgeben war, wollte er den Ort Acht Drachen nennen. Doch einer seiner Leibwächter erklärte ihm, dass auch der Kaiser ein Drache sei. Deshalb nannten sie es Neun Drachen. Kowloon.«
    »Und das hat dir deine Tochter erzählt?«
    »Ja. Sie hat es in der Schule gelernt.«
    In dem Schweigen, das darauf eintrat, konnte Bosch irgendwo hinter sich den Drucker arbeiten hören. Starkey stand auf, ging hinter einen Stapel Umzugskartons und zog das Bild der Fensterspiegelungen aus dem hochauflösenden Drucker.
    Sie reichte es Bosch. Es war ein Hochglanzausdruck auf Fotopapier. Er war so scharf und deutlich wie das Bild auf dem Monitor.
    »Danke, Barbara.«
    »Ich bin noch nicht fertig, Harry. Wie gesagt, ich werde mir jedes einzelne Bild des Videos ansehen – dreißig pro Sekunde –, und wenn es darauf sonst noch etwas gibt, was dir weiterhelfen könnte, werde ich es finden. Außerdem werde ich mir die Tonspur vornehmen.«
    Bosch nickte bloß und blickte auf den Ausdruck in seiner Hand hinab.
    »Du wirst sie finden, Harry. Ich weiß, dass du sie findest.«
    »Keine Frage, das werde ich.«

20
    A uf

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