Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen
übrigens dabei heraus, als Ihre Kollegen die anderen Abschleppfirmen aufsuchten, die im Wilshire District Fahrzeuge im Einsatz hatten?‹«
»›Sie haben niemanden gefunden oder befragt, der als Verdächtiger in Frage gekommen wäre.‹«
»›Heißt das, niemanden mit einer Vorstrafe?‹«
»›Zum einen keine Vorstrafen, aber auch kein auffälliges Verhalten bei den Vernehmungen.‹«
»›Deshalb konzentrierten Sie sich auf Derek Wilbern?‹«
»›Richtig.‹«
»›Was haben Sie getan, als sich Wilbern und die zwei anderen Männer bereit erklärten, an einem anderen Ort befragt zu werden?‹«
»›Wir forderten zwei Streifenwagen an und setzten Jessup und Clinton auf den Rücksitz des einen und Wilbern in den anderen. Dann schlossen wir das Firmengelände von Aardvark ab, und mein Partner und ich fuhren schon mal in unserem Auto los.‹«
»›Dann trafen Sie also als Erste im Haus der Landys ein?‹«
»›So war es auch geplant. Wir hatten den Streifenpolizisten gesagt, sie sollten einen kleinen Umweg zum Haus der Landys in der Windsor fahren, damit wir als Erste dort einträfen. Als wir dort ankamen, nahm ich Sarah mit nach oben in ihr Zimmer. Es ging nach vorne raus, und man konnte von dort in den Vorgarten und auf die Straße sehen. Damit die Abschleppfahrer sie von unten nicht sehen konnten, ließ ich die Jalousie herunter, und sie schaute durch einen Spalt nach draußen.‹«
»›Was geschah dann‹?«
»›Mein Partner war unten auf der Straße geblieben. Wir hatten uns abgesprochen, dass er die drei Männer bei ihrer Ankunft auffordern sollte, aus dem Streifenwagen zu steigen und sich auf dem Gehsteig aufzustellen. Und dann fragte ich Sarah, ob sie einen von ihnen wiedererkennen würde.‹«
»›Und? War das der Fall?‹«
»›Zunächst nicht. Allerdings hatte einer der Männer – Jessup – eine Baseballmütze auf, und er hielt den Blick zu Boden gesenkt, so dass der Mützenschirm sein Gesicht verdeckte.‹«
An dieser Stelle überblätterte Bosch zwei Seiten des Protokolls, die durchgestrichen worden waren. Sie enthielten mehrere Fragen und Antworten zu Jessups Verhalten und seinem Versuch, mit der Mütze sein Gesicht zu verstecken. Gegen diese Fragen war von Jessups damaligem Verteidiger Einspruch eingelegt worden. Der Richter hatte ihm stattgegeben, worauf sie neu formuliert und erneut abgelehnt worden waren. In einer Vorverhandlung zum aktuellen Verfahren hatte Breitman Royce’ Antrag stattgegeben, dass die aktuellen Geschworenen nicht einmal die Fragen zu hören bekommen sollten. Es war einer der wenigen Punkte, in denen sich Royce hatte durchsetzen können.
Haller las an der Stelle weiter, an der das Scharmützel geendet hatte.
»›Also gut, Detective, dann schildern Sie den Geschworenen bitte, was als Nächstes geschah.‹«
»›Sarah hat mich gefragt, ob ich den Mann mit der Mütze bitten könnte, sie abzunehmen. Daraufhin sagte ich meinem Partner über Funk, er solle Jessup auffordern, die Mütze abzusetzen. Als er das tat, sagte Sarah fast sofort, das wäre er.‹«
»›Der Mann, der ihre Schwester entführt hat?‹«
»›Ja.‹«
»›Einen Augenblick bitte. Sagten Sie nicht, Sie hätten Derek Wilbern verdächtigt?‹«
»›Weil er bereits wegen eines Sexualdelikts straffällig geworden war, dachte ich, er käme am ehesten als Verdächtiger in Frage.‹«
»›Hatte Sarah bezüglich ihrer Identifizierung irgendwelche Zweifel?‹«
»›Ich habe sie mehrmals gefragt, ob sie die Identifizierung bestätigen könnte. Das hat sie jedes Mal bejaht.‹«
»›Was haben Sie dann getan?‹«
»›Ich bat Sarah, in ihrem Zimmer zu bleiben, und ging nach unten und in den Garten. Dort erklärte ich Jessup für verhaftet, legte ihm Handschellen an und ließ ihn auf dem Rücksitz eines Streifenwagens Platz nehmen. Zwei anderen Streifenpolizisten trug ich auf, Wilbern und Clinton in ihrem Auto zur weiteren Vernehmung in die Wilshire Division zu bringen.‹«
»›Haben Sie Jason Jessup bereits zu diesem Zeitpunkt vernommen?‹«
»›Ja, das habe ich. Auch hier galt es wieder, keine Zeit zu verlieren. Ich war der Ansicht, dass ich nicht die Zeit hätte, um ihn in die Wilshire Division zu bringen und dort einer förmlichen Vernehmung zu unterziehen. Stattdessen setzte ich mich mit ihm in ein Auto, las ihm die Miranda-Warnung vor und fragte ihn, ob er bereit wäre, mit mir zu sprechen. Das bejahte er.‹«
»›Haben Sie dieses Gespräch
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