Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen
Zeugenaussage ging zwar noch weiter, aber sie waren da angelangt, wo Haller Schluss zu machen beschlossen hatte, weil an diesem Punkt alles, was er brauchte, zu Protokoll genommen worden war.
Daraufhin fragte die Richterin Royce, ob er auch etwas vom Kreuzverhör der Verteidigung verlesen und zu Protokoll genommen haben wolle. Royce griff nach zwei mit Büroklammern aneinander befestigten Schriftstücken und stand auf.
»Nur um das einmal zu Protokoll zu geben: Ich beteilige mich nur äußerst ungern an einem Prozedere, das ich ablehne, aber nachdem es das Gericht nun einmal so will, werde ich dabei mitmachen. Ich habe hier zwei kurze Ausschnitte aus Detective Klosters Kreuzverhör. Darf ich einen Ausdruck davon Detective Bosch geben? Das dürfte die Sache erheblich vereinfachen.«
»Nur zu«, sagte die Richterin.
Der Deputy nahm eins der beiden Schriftstücke von Royce und brachte es Bosch, der es rasch überflog. Es umfasste nur zwei Seiten der Niederschrift des Kreuzverhörs. Zwei Stellen waren mit gelbem Marker gekennzeichnet. Während Bosch sie las, erklärte die Richterin den Geschworenen, Royce würde die Fragen lesen, die Jessups ehemaliger Verteidiger, Charles Barnard, gestellt hatte, während Bosch weiterhin die Antworten von Detective Doral Kloster lesen würde.
»Bitte fangen Sie an, Mr. Royce.«
»Danke, Euer Ehren. Ich lese jetzt aus dem Protokoll: ›Detective, wie viel Zeit verging zwischen dem Punkt, an dem Sie das Gelände von Aardvark Towing abschlossen und die drei Fahrer in die Windsor Avenue brachten, und dem Moment, in dem Sie mit dem Durchsuchungsbeschluss dorthin zurückkehrten?‹«
»›Darf ich dazu die Ermittlungschronologie zu Rate ziehen?‹«
»›Sie dürfen.‹«
»›Das waren etwa zwei Stunden und fünfunddreißig Minuten.‹«
»›Und wie haben Sie das Gelände von Aardvark Towing gesichert, als Sie von dort wegfuhren?‹«
»›Wir schlossen die Garagen ab, und einer der Fahrer – ich glaube, es war Mr. Clinton – hatte einen Schlüssel für das Tor. Ich ließ ihn mir von ihm geben, um das Tor abzuschließen.‹«
»›Haben Sie ihm den Schlüssel danach wieder zurückgegeben?‹«
»›Nein, ich habe ihn gefragt, ob ich ihn vorerst behalten könnte, und dagegen hatte er nichts einzuwenden.‹«
»›Als Sie also mit dem unterzeichneten Durchsuchungsbeschluss zurückkehrten, hatten Sie den Schlüssel und schlossen einfach das Tor auf, um auf das Firmengelände zu kommen?‹«
»›Das ist richtig.‹«
Royce blätterte zur nächsten Seite und forderte Bosch auf, es ihm gleichzutun.
»Okay, wir lesen jetzt eine andere Stelle des Kreuzverhörs. ›Detective Kloster, welchen Schluss zogen Sie, als Ihnen mitgeteilt wurde, dass in dem Abschleppwagen, den Mr. Jessup an besagtem Tag gefahren hatte, Haarproben gefunden worden waren?‹«
»›Keinen. Die Proben waren noch nicht identifiziert worden.‹«
»›Zu welchem späteren Zeitpunkt wurden sie identifiziert?‹«
»›Zwei Tage später erhielt ich einen Anruf vom SID . Eine Spezialistin für Haare und Fasern teilte mir mit, die Haare seien untersucht worden und wiesen deutliche Übereinstimmungen mit Proben auf, die vom Opfer genommen worden seien. Sie sagte, sie könne nicht ausschließen, dass sie vom Opfer stammten.‹«
»›Und welchen Schluss haben Sie daraus gezogen?‹«
»›Dass eine hohe Wahrscheinlichkeit bestand, dass Melissa Landy in diesem Abschleppwagen gewesen war.‹«
»›Welche anderen Beweisstücke in besagtem Abschleppwagen brachten das Opfer mit diesem in Verbindung beziehungsweise Mr. Jessup mit dem Opfer?‹«
»›Andere Beweise gab es nicht.‹«
»›Kein Blut oder andere Körperflüssigkeiten?‹«
»›Nein.‹«
»›Keine Fasern vom Kleid des Opfers?‹«
»›Nein.‹«
»›Auch sonst nichts?‹«
»›Nein, nichts.‹«
»›Kam Ihnen angesichts des Fehlens anderer erhärtender Beweise in dem Abschleppwagen jemals der Gedanke, die Haarbeweise könnten dort nachträglich hingebracht worden sein, um den Angeklagten zu belasten?‹«
»›Diese Möglichkeit habe ich natürlich insofern in Erwägung gezogen, als ich auch alle anderen Aspekte des Falls in Erwägung gezogen habe. Aber ich tat diese Möglichkeit rasch ab, weil die Zeugin der Entführung Jessup identifiziert hatte, und bei dem Fahrzeug handelte es sich um den Abschleppwagen, den er fuhr. Ich habe nicht angenommen, dass die Beweise untergeschoben worden sein könnten. Von wem auch? Niemand hat ihm etwas
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