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Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Titel: Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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auf ihrem Kleid.
    »Wo siehst du hier irgendwelche Verletzungen?«
    Walling stand auf, um sich über den Tisch zu beugen, und deutete mit einem Stift auf die Stellen, die sich Bosch auf den Fotos ansehen sollte. Sie umkreiste mit seiner Spitze mehrere Verfärbungen am Hals des Opfers.
    »Ihre Halsverletzungen«, sagte sie. »Wenn du genau hinsiehst, kannst du die ovale Aufschürfung an der rechten Seite des Halses erkennen, und auf der anderen Seite gibt es eine entsprechende größere Stelle. Diese Spuren lassen keinen Zweifel daran, dass sie der Täter mit einer Hand erwürgt hat.«
    Sie verdeutlichte mit dem Stift, was sie meinte.
    »Der Daumen hier, auf der rechten Seite, und die vier Finger auf der linken. Mit einer Hand. Aber jetzt, warum mit einer Hand?«
    Sie setzte sich wieder, und Bosch richtete sich auf. Der Gedanke, dass Melissa mit einer Hand erwürgt worden war, war ihm nicht neu. Das stand in Klosters ursprünglichem Mordprofil.
    »Vor vierundzwanzig Jahren vermutete man, dass Jessup mit der linken Hand masturbierte, während er das Mädchen mit der rechten erwürgte. Diese Theorie fußte auf einem einzigen Detail – dem Sperma auf dem Kleid des Mädchens. Es stammte von einem Mann mit der gleichen Blutgruppe wie Jessup, weshalb man annahm, es wäre von ihm. Kannst du mir so weit folgen?«
    »Ja.«
    »Gut, und jetzt ist das Problem, dass wir inzwischen wissen, dass das Sperma nicht von Jessup stammt. Folglich ist das Tatprofil oder die Grundtheorie aus dem Jahr 1986 falsch. Dass sie falsch ist, lässt sich auch daran zeigen, dass Jessup einer Schriftprobe in der Akte zufolge Rechtshänder ist. Und Studien haben gezeigt, dass Rechtshänder fast immer mit der dominanten Hand masturbieren.«
    »Über so etwas gibt es Studien?«
    »Du würdest staunen, was es da alles gibt. Ich habe jedenfalls kaum meinen Augen getraut, als ich dieser Frage im Internet nachgegangen bin.«
    »Ich habe doch immer schon gewusst, dass mit dem Internet etwas nicht stimmt.«
    Sie lächelte auf eine Art, die nicht darauf hindeutete, dass ihr dieses Gesprächsthema auch nur ansatzweise peinlich war. Für sie war das alles nichts Besonderes.
    »Es gibt Studien zu allem, was du dir nur denken kannst. Unter anderem auch darüber, mit welcher Hand sich die Leute den Hintern abwischen. Das fand ich übrigens sogar richtig faszinierend. Aber das Entscheidende ist, dass die Ermittler in diesem Fall von Anfang an von völlig falschen Voraussetzungen ausgegangen sind. Dieser Mord wurde nicht während eines Sexualakts begangen. Aber ich zeige dir gleich mal ein paar andere Fotos.«
    Sie fasste über den Tisch, schob alle Fotos zu einem Stapel zusammen und legte sie auf die Seite. Dann breitete sie die Aufnahmen aus, die im Führerhaus des Abschleppwagens gemacht worden waren, den Jessup am Tag des Mordes gefahren hatte. Das Fahrzeug hatte sogar einen Namen, der mit einer Schablone auf das Armaturenbrett geschrieben war.
    »Am fraglichen Tag hat Jessup also Matilda gefahren«, begann Walling.
    Bosch studierte die drei Fotos, die sie auf den Tisch gelegt hatte. Im Führerhaus des Abschleppautos herrschte peinliche Ordnung. Auf dem Armaturenbrett war ein exakt ausgerichteter Stapel mit Thomas-Brothers-Stadtplänen – Navigationssysteme hatte es damals noch nicht gegeben –, und vom Rückspiegel hing ein kleines Stofftier, bei dem es sich, vermutete Bosch wegen des Namens der Abschleppfirma, um ein
Aardvark,
ein Erdferkel, handelte. In einem Becherhalter auf der Mittelkonsole war ein Big Gulp von 7-Eleven, und auf einem Aufkleber auf dem Handschuhfachdeckel stand
Grass or Ass – Nobody Rides for Free
– Gras oder Möse, umsonst wird niemand mitgenommen.
    Walling umkreiste mit ihrem Stift eine Stelle auf einem der Fotos. Es war ein unter dem Armaturenbrett angebrachter Polizeifunkscanner.
    »Hat sich schon jemand Gedanken darüber gemacht, was das bedeutet?«
    Bosch zuckte mit den Achseln.
    »Ob damals, kann ich nicht sagen. Was bedeutet es jetzt?«
    »Also, Jessup arbeitete für Aardvark, eine Abschleppfirma, die im Auftrag der Stadt tätig war. Sie war jedoch nicht die einzige. Unter den verschiedenen Abschleppfirmen herrschte ein erbitterter Konkurrenzkampf. Deshalb hörten die Fahrer den Polizeifunk ab, um möglichst schnell von Unfällen und Parkverstößen zu erfahren. So verschafften sie sich gegenüber der Konkurrenz einen Vorteil, verstehst du? Das Problem war nur, dass jedes Abschleppauto einen Scanner hatte und jeder den

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