Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Titel: Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
schnellstens. Aber nur noch dieses eine Mal. Noch so eine Unterstellung, und wir beide haben ein echtes Problem.«
    »Okay, entschuldige bitte. Es ist nur, dass …«
    Meine Aufmerksamkeit wurde auf Jessup gelenkt, der auf der anderen Seite des Mittelgangs mit Royce am Tisch der Verteidigung saß. Er grinste mich an, und ich merkte, dass er Maggie und mich beobachtet und vielleicht sogar unser Gespräch mitgehört hatte.
    »Einen Augenblick bitte«, sagte ich.
    Ich stand auf und ging zum Tisch der Verteidigung. Ich beugte mich zu Jessup hinab.
    »Ist irgendwas, Jessup?«
    Bevor Jessup etwas erwidern konnte, sagte sein Anwalt: »Sprechen Sie nicht mit meinem Mandanten, Mick. Wenn Sie eine Frage an ihn haben, stellen Sie sie mir.«
    Vom Einschreiten seines Anwalts ermutigt, grinste Jessup erneut.
    »Setzen Sie sich einfach wieder«, sagte er. »Ich habe Ihnen nichts zu sagen.«
    Royce hob die Hand, um ihn zu bremsen.
    »Überlassen Sie das mir. Sie sind schön still.«
    »Er hat mir gedroht. Sie sollten sich bei der Richterin beschweren.«
    »Ich habe gesagt, Sie sollen still sein. Darum kümmere ich mich.«
    Jessup verschränkte die Arme und lehnte sich zurück.
    »Gibt es irgendein Problem, Mick?«, fragte Royce.
    »Nein, es gibt kein Problem. Ich mag nur nicht, dass er mich anstarrt.«
    Wütend auf mich selbst, dass ich mich aus der Ruhe hatte bringen lassen, kehrte ich an den Tisch der Anklage zurück. Ich setzte mich und blickte zu der Kamera, die auf der Geschworenenbank aufgebaut worden war. Die Richterin hatte genehmigt, dass beim Prozess und bei den Vorverhandlungen gefilmt wurde, allerdings nur mit einer einzigen Kamera, deren Bildmaterial allen Sendern zur Verfügung gestellt werden musste.
    Wenige Minuten später nahm Richterin Breitman auf der Richterbank Platz und eröffnete die Verhandlung. Wir gingen die Anträge der Verteidigung durch, und die Entscheidungen der Richterin fielen meistens ohne lange Diskussionen zu unseren Gunsten aus. Die wichtigste war, dass sie den Antrag, das Verfahren mangels Beweisen einzustellen, mehr oder weniger kommentarlos ablehnte. Als Royce deswegen um Gehör bat, erklärte sie, es sei nicht nötig, sich weiter mit diesem Punkt zu befassen. Das war ein empfindlicher Rüffel, und ich war begeistert, obwohl ich nach außen hin so tat, als sei das selbstverständlich und reine Routine.
    Die einzige Entscheidung, mit der sich die Richterin eingehender auseinandersetzen wollte, war der skurrile Antrag Royce’, seinem Mandanten zu gestatten, sich während des Prozesses zu schminken, um die Tattoos an seinem Hals und auf seinen Fingern zu kaschieren. Als Begründung hatte Royce in seinem Schriftsatz angeführt, sein Mandant habe sich diese Tattoos im Gefängnis zugelegt, als er sich fälschlicherweise vierundzwanzig Jahre lang in Haft befand. Er machte geltend, die Tattoos könnten die Geschworenen befangen machen, wenn sie sie zu sehen bekämen. Sein Mandant beabsichtigte, sie mit Make-up zu überdecken, und Royce wollte der Anklage untersagen, dies im Beisein der Geschworenen zur Sprache zu bringen.
    »Ich muss gestehen, dass mir bisher noch kein derartiger Antrag vorgelegen hat«, erklärte die Richterin. »Ich neige dazu, ihm stattzugeben und der Anklage zu untersagen, diesen Punkt im Prozess zu erwähnen, aber wie ich sehe, hat die Anklagevertretung Einspruch gegen den Antrag eingelegt, mit der Begründung, er enthalte nicht genügend Angaben zu Inhalt und Geschichte der fraglichen Tattoos. Können Sie uns dazu Näheres sagen, Mr. Royce?«
    Royce stand auf und richtete sich von seinem Platz am Tisch der Verteidigung an das Gericht. Als ich zu ihm hinüberschaute, fiel mein Blick auf Jessups Hände. Ich wusste, Royce’ Sorge galt vor allem den Tattoos auf seinen Knöcheln. Die Tätowierungen am Hals ließen sich größtenteils mit dem Kragen des Hemdes verdecken, das er beim Prozess zu seinem Anzug tragen würde. Aber die Hände wären schwer zu verbergen. Über die acht Finger der zwei Hände war sein Wahlspruch LECK MICH tätowiert, und Royce war klar, dass ich dafür zu sorgen wüsste, dass die Geschworenen das zu sehen bekämen. Die dahinter stehende Einstellung war wahrscheinlich der Hauptgrund, weshalb Royce seinen Mandanten nicht zu seiner eigenen Verteidigung in den Zeugenstand rufen wollte. Er wusste nämlich nur zu gut, dass ich eine Möglichkeit fände, die Geschworenen entweder beiläufig oder ganz gezielt darauf aufmerksam zu machen.
    »Euer Ehren, die

Weitere Kostenlose Bücher