Harry Dresden 08 - Schuldig
aber meine Freundin … Rosie.“ Ihre Unterlippe erzitterte, und ihre Augen füllten sich mit Tränen, die sie dann doch rechtzeitig wieder unter Kontrolle brachte.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich sie trösten sollte. „Ich werde verhindern, dass das nochmal passiert“, versprach ich leise. „Es tut mir leid, dass ich beim ersten Angriff nicht schneller war.“
Sie blickte zu Boden und nickte.
„Hör mal“, sagte ich. „Das ist eine verdammt ernsthafte Angelegenheit. Du solltest mit jemandem darüber sprechen. Nicht mit mir“, fügte ich schnell hinzu, als sie zu mir aufsah. „Mit deiner Mutter.“
Molly schüttelte den Kopf. „Sie ist nicht …“
„Molly“, seufzte ich. „Das Leben kann ganz schön kurz und grausam sein. Du hast das gestern Nacht am eigenen Leib erfahren. Du hast mit eigenen Augen gesehen, womit es dein Vater ständig aufnimmt.“
Sie antwortete nicht.
Ich fuhr gedämpft fort: „Selbst Ritter können sterben. Shiro ist ums Leben gekommen, und dasselbe kann auch Michael zustoßen.“
Ihr Kopf ruckte hoch, und sie starrte mich entsetzt an.
„Wie fühlst du dich jetzt?“, wollte ich wissen.
Sie knabberte an ihrer Unterlippe. „Ängstlich.“
„Deine Mutter hat auch Angst. Große Angst. Sie geht damit um, indem sie sich an die Menschen, die ihr wichtig sind, klammert. Bisweilen zu fest. Deshalb hast du auch das Gefühl, sie behandelt dich wie ein Kleinkind. Vielleicht tut sie das auch. Aber nicht, weil sie eine Kontrollfanatikerin ist. Es geschieht, weil sie dich so sehr liebt – dich, deinen Vater und deine Familie – und einfach eine Heidenangst hat, dass euch etwas zustoßen könnte. Sie versucht verzweifelt, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um euch vor Schaden zu bewahren.“
Molly sah nicht zu mir auf, um zu antworten.
„Das Leben ist kurz“, sagte ich. „Zu kurz, um es für blödsinnige Auseinandersetzungen zu vergeuden. Ich will damit nicht sagen, deine Mutter sei perfekt, denn bei Gott, das ist sie nicht. Aber gute Güte, du hast eine Familie, für die Leute wie ich alles geben würden. Du glaubst vielleicht, dass das immer so sein wird – aber vielleicht kommt es anders. Das Leben gibt keine Garantien.“
Ich ließ das für eine Minute einsinken, bevor ich weitersprach. „Ich habe deinem Vater versprochen, dich zu bitten, mit ihr zu reden. Ich habe ihm versprochen, mein Bestes zu geben, um euch dazu zu bringen, die Angelegenheit zu klären.“
Sie sah zu mir hoch, und diesmal weinte sie leise in sich hinein. Weitere dunkle Rinnsale aus Make-up bildeten sich auf ihren Wangen.
„Wirst du dich mit ihr zusammensetzen? Um zu reden?“
Sie atmete zittrig ein und sagte: „Ich weiß nicht, ob das etwas bringt. Wir haben uns gegenseitig dermaßen viel an den Kopf geworfen …“
„Ich kann dich nicht zwingen. Nur du kannst dich dazu entscheiden.“
Sie zog die Nase hoch. „Das bringt ohnehin nichts.“
„Ich erwarte keine Wunder. Versuch nur, mit ihr zu reden. Bitte.“
Sie schnappte erneut nach Luft und nickte einmal kurz.
„Danke“, sagte ich.
Sie versuchte zu lächeln und verharrte einen weiteren Moment vor der Badezimmertür.
„Molly?“, fragte ich. „Alles in Ordnung?“
Sie nickte, doch sie rührte sich nicht.
Ich runzelte die Stirn. „Willst du mir etwas sagen?“
Sie sah eine Sekunde lang zu mir auf. „Nein“, sagte sie dann und schüttelte den Kopf. „Nein, es ist nichts. Danke. Ich werde nicht lange brauchen.“ Dann trat sie ins Badezimmer, zog hinter sich die Tür ins Schloss und verriegelte sie. Kurz darauf begann die Dusche zu laufen.
„Wow“, meldete sich Bob. „Mir war ja überhaupt nicht klar, dass du sie gerne so … frisch hast, Harry!“
Ich warf ihm einen giftigen Blick zu. „Was?“
„Hast du ihren Körper gesehen? Klasse Titten! Ein hellblondes Wikingermädel, ganz in Schwarz und mit Piercings, die steht sicher auf allen möglichen Schweinkram, und darüber hinaus ist sie noch jung und zart und so verletzlich und springt mitten in deinem Zimmer aus der Wäsche.“
„Schweinkram? Jetzt hör’ mal … nie und nimmer …“, sprudelte es aus mir hervor. „Nein. Einfach nein. Um Himmels Willen! Sie ist siebzehn!“
„Dann solltest du dich beeilen“, riet mir Bob. „Bevor irgendwas zu hängen beginnt. Koste Perfektion aus, solange du es kannst, ist mein Leitspruch.“
„Bob!“
„Was?“, sagte er.
„So läuft das nicht!“
„Noch nicht“, sagte Bob. „Aber schwing dich zu ihr unter die
Weitere Kostenlose Bücher