Harry Dresden 08 - Schuldig
Schutzflammenkerze. Der stämmige, dunkelhäutige Polizist beugte sich zu Mouse hinunter und ließ ihn an seiner Hand schnüffeln. Dem kam Mouse nur zu gerne nach und wedelte noch enthusiastischer mit dem Schwanz.
Rawlins blieb auf der Schwelle stehen und rief: „Hallo? Dresden?“
„Hier“, flüsterte ich.
Rawlins‘ Hand patschte an der Wand herum, bis er den Lichtschalter gefunden und das Licht angeschaltet hatte. Er starrte mich für eine Sekunde kritisch an, und seine Augenbrauen wanderten langsam immer höher. „Aha. Das sehe ich nicht alle Tage.“
Ich schnitt eine Grimasse. „Murphy hat sie also gefunden.“
„Man könnte fast glauben, sie wäre bei der Polizei“, grinste Rawlins.
„Weiß Ihr Boss, dass Sie hier sind?“, fragte ich.
„Bis jetzt nicht“, entgegnete er. „Aber ich glaube, früher oder später wird es jemandem auffallen, der mich dann denunziert.“
„Er wird gar nicht glücklich sein“, meinte ich.
„Solange ich mir später selbst noch in die Augen sehen kann ...“ Er wedelte mit seinem Kerzenstummel in der Luft herum. „Murphy hat mich geschickt, um nachzusehen, ob Sie noch am Leben sind.“
„Ich werde um eine Knie-OP nicht herumkommen“, seufzte ich. „Ich bin nicht davon ausgegangen, dass es so lange dauern wird.“
„Mhm“, gab sich Rawlins ungerührt. „Sie sind nicht etwa einer von diesen Satansanhängern, oder?“
„Nein“, antwortete ich. „Eher Pythagoras.“
„Pütt... wer?“
„Der hat Dreiecke erfunden.“
„Ah“, sagte Rawlins, als erkläre das alles. „Also, was tun Sie hier?“
Ich erklärte es ihm, auch wenn er ganz danach aussah, als falle es ihm verdammt schwer, meine Worte für bare Münze zu nehmen. Na ja, vielleicht musste ich ja an meiner allgemeinen Glaubwürdigkeit arbeiten. „Ich war mir ganz sicher, dass er schon vor einiger Zeit losschlagen würde.“
„Kriminelle sind in dieser Hinsicht ganz schön komisch“, stimmte er zu. „Die haben nicht den geringsten Respekt.“
Ich verzog nachdenklich das Gesicht. Ich war hungrig, durstig, müde, mir tat alles weh, und ich musste mehr als dringend aufs Klo. All diese Dinge waren auch nicht erträglicher geworden, je länger die Nacht sich hinzog, und ich musste unbedingt so konzentriert sein wie irgend möglich.
„Gut“, grummelte ich. „Sei schlau, mach Pause.“ Ich beugte mich vor und brach den Kreis, indem ich den Sand mit einer Hand verwischte, wodurch die Energie des Zaubers, die ich bereit gehalten hatte, versickerte. Zumindest hatte ich den Zauber schon einmal ausgeführt. Jetzt erneut die Startposition einzunehmen würde mich weit weniger Zeit kosten als beim ersten Mal.
Ich versuchte aufzustehen, doch meine Beine gehorchten mir nicht. Ich schnitt eine Grimasse und bat Rawlins: „Können Sie mir mal aufhelfen?“
Er legte die Kerze weg und hievte mich hoch. Ich schwankte für ein paar Sekunden gefährlich, doch dann schaffte ich es, ins Badezimmer und wieder heraus zu taumeln.
„Alles in Ordnung?“, fragte er.
„Mir geht’s gut. Sagen Sie Murphy, sie soll die Stellung halten.“
Rawlins nickte. „Wir sind unten.“ Er blieb kurz stehen und meinte: „Ich hoffe wirklich, dass bald etwas passiert. Unten findet ein Kostümwettbewerb statt.“
„Schlimm?“
„Ich habe viele knappe Teile gesehen, getragen von Leuten, die sich das wirklich nicht leisten können.“
„Rufen Sie doch die Stilpolizei“, sagte ich.
Rawlins nickte. „Die sind zu weit gegangen.“
„Können Sie mir einen Gefallen tun?“, bat ich ihn. „Können Sie mit Mouse eine Runde drehen?“ Ich fischte ein paar zerknitterte Banknoten aus der Hosentasche und reichte sie Rawlins. „Vielleicht können Sie ihm ja auch einen Hot Dog oder so was besorgen.“
„Klar“, willigte Rawlins ein. „Ich mag Hunde.“
Mouse vollführte mit dem Schwanz ein Trommelstakkato an die Wand.
„Aber was auch immer passiert, geben sie ihm keine Nachos. Ich habe meine Gasmaske daheim vergessen.“
Rawlins nickte. „Klar.“
„Halten Sie die Augen offen“, riet ich ihm. „Sagen Sie Murphy, ich bin in ein paar Minuten wieder bereit loszulegen.“
Rawlins antwortete mit einem Grunzlaut und ging.
Ich hatte eine Feldflasche mit Fruchtsaft, Schokolade und Trockenfleisch in meinem Rucksack. Ich durchstöberte ihn nach den Vorräten und begann, alles drei gleichzeitig zu verschlingen, während ich auf und ab ging, um mir die Beine zu vertreten. Mich bereit zu halten, um jederzeit losschlagen zu
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