Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Harry Dresden 08 - Schuldig

Harry Dresden 08 - Schuldig

Titel: Harry Dresden 08 - Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
Vom Netzwerk:
oder in diesem Fall Dinge, die sich dort draußen durch die Nacht stachen, hackten, rissen und fetzten –, aber auch geweihter Boden war nicht unüberwindbar. Wenn etwas mit ausreichender übernatürlicher Macht hinter dem Jungen her war, konnte es sich mit Gewalt Zutritt zur Kirche verschaffen.
    Verflucht, welche Wahl blieb mir? Wenn ich jetzt hier meine Position aufgab, würde ein erneuter Angriff den von gestern Nacht aussehen lassen wie eine Klassenfahrt ins Schlaraffenland. Doch was konnte er nur gesehen haben, das es wert war, ihn umzulegen? Warum bei allen guten Geistern verfolgte man ihn? Ich fühlte mich, als tappe ich hilflos im Dunklen in einem fremden Haus herum, von allen Göttern verlassen und zu tollpatschig, mich sicher fortzubewegen. Ich hatte meine Aufmerksamkeit zu sehr zerfasert. Wenn ich nicht bald weitere Puzzlestücke entdeckte und richtig zusammensetzte, würden weitere Menschen ums Leben kommen.
    Doch ich konnte nicht gleichzeitig an zwei Orten sein. Wenn der Junge ernsthaft in der Tinte steckte, würde er in der Kirche bei Forthill ebenso sicher sein wie hinter den Schutzzaubern meines Appartements oder sonst wo in der Stadt. In der Zwischenzeit sah es ganz danach aus, als wäre ein ganzer Haufen weiterer Jugendlicher dazu vorgesehen, als Happen auf dem Furchtfresserbüffet zu enden. Ich musste dort handeln, wo ich am meisten erreichen konnte. Ich gebe zu, das war eine gefühlskalte Berechnung, ein Aufwiegen von Menschenleben, doch ich konnte sie nicht von der Hand weisen. Ich würde mich um Nelson kümmern, sobald ich meine Arbeit im Hotel erledigt hatte.
    Ich ließ mich behutsam wieder auf die Knie sinken, schloss den Kreis und griff nach den losen Enden des Zaubers, mit dem ich die Phagen in eine andere Richtung hetzen wollte.
    Dann züngelte die Schutzflammenkerze auf der Kommode des Hotelzimmers jäh grellrot. Gleichzeitig empfand ich ein gigantisches Zittern der Luft, wo unerwartet mächtige, gewaltige Kräfte auf die Fäden meines Netzzaubers geprallt waren. Meine Gedanken und meine Aufmerksamkeit wurden in einen abgelegenen Flur des Hotels nahe der Küche gezogen, zu einem Flur außerhalb des Fitnessraumes, und gleich zweimal schlugen die Energiefäden wie Saiten in einer weiteren Toilette an.
    Diesmal waren es vier Eindringlinge. Mindestens.
    Mir blieben zehn Sekunden, um meinen Zauber abzuschließen.
    Neun.
    Möglicherweise auch weniger.
    Acht.
    Ich legte mein ganzes Herzblut in den Spruch.
    Sieben.
    Es musste schnell gehen.
    Sechs.
    Es musste auf Anhieb klappen.
    Fünf.
    Wenn ich das in den Sand setzte, würde jemand anderes dafür bezahlen.
    Vier.
    In Blut.
    Drei.
    Zwei.
    Eins …

25. Kapitel
    M ir graute vor dem Gedanken , dass ich es nicht mehr rechtzeitig schaffen würde, dass mir ein verhängnisvoller Fehler unterlaufen könnte und dass Unschuldigen grauenhafte Todesqualen bevorstünden, als ich den Spruch vollendete.
    Genau so musste es auch sein. Wenn ich die Furchtfresser von ihrem Amoklauf weglocken und auf eine reichere Quelle an Angst hetzen wollte, musste diese Furcht ja schließlich auch von irgendwoher stammen – und in genau diesem Fall musste der Quell dieser Angst in mir selbst liegen. Wenn ich es mit vorgetäuschten Gefühlen versucht hätte, wäre mir höchstwahrscheinlich ebenso viel Erfolg beschieden gewesen, als wenn ich versucht hätte, einem Gorilla eine Plastikbanane anzudrehen. Die Furcht musste unverfälscht sein.
    Selbstverständlich hatte ich eigentlich nicht vorgehabt, mich derart zu fürchten. Da es mich auf dem falschen Fuß erwischt hatte und ich unter enormem Zeitdruck stand, hatte sich panische Hysterie zu dem Übermaß an Anspannung gesellt, das ich ohnehin schon verspürt hatte.
    Der Spruch nahm Gestalt an, und es fühlte sich an, als bliebe die Zeit von einem Herzschlag zum nächsten stehen.
    In dieser Illusion eines absoluten Stillstands brannten meine Sinne wie Feuer. Die Gegenwart gefährlicher Wesenheiten, die nun in die materielle Welt eindrangen, warf ihre Wellen durch mein magisches Netz; es fühlte sich an wie ein nervöses Flattern. Die Energie des Zaubers glänzte vor meinen ausgestreckten Händen wie ein unsichtbarer Stern, während mein Entsetzen in meinen Spruch sickerte und sich mit ihm verband. Unsichtbare Fäden meines Köders peitschten entlang der Stränge aus Energie, aus denen mein Netz, mit dem ich die Phagen aufspüren wollte, bestand, und strichen sanft über die Wesenheiten, erregten ihre Aufmerksamkeit und füllten

Weitere Kostenlose Bücher