Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Harry Dresden 08 - Schuldig

Harry Dresden 08 - Schuldig

Titel: Harry Dresden 08 - Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
Vom Netzwerk:
können, war nicht nur körperlich unglaublich anstrengend gewesen. Mein Kopf fühlte sich an, als hätte ihn jemand in Watte gepackt, und auch meine Wahrnehmung schien seltsam falsch. Kanten schienen mir schärfer, Kurven schwindelerregender, und der gesamte Raum machte auf mich den Eindruck eines leicht entschärften Eschergemäldes. Daran konnte ich im Augenblick auch nichts ändern. Da Magie großteils im Kopf vonstatten ging, konnte es schonmal zu Nebenwirkungen kommen, wenn man einen Spruch über längere Zeit aufrechterhielt.
    Ich verputzte meine Vorräte, so schnell ich sie nur hinunterwürgen konnte, doch ich ließ mir noch etwas zu trinken übrig, für den Fall, dass ich noch ein paar Stunden würde warten müssen. Dann kniete ich mich in den Kreis und wollte ihn schließen.
    Doch dann klingelte das Zimmertelefon.
    „Déjà vu“, ließ ich den leeren Raum wissen. Mit knarzenden Knien erhob ich mich und schwankte zum Telefon.
    „Dresden Tierpräparationen“, sagte ich. „Sie knallen’s ab, wir stopfen’s aus!
    Konsterniertes Schweigen herrschte am anderen Ende der Leitung, bis die Stimme eines jungen Mannes erklang. „Äh. Ist da Harry Dresden?“
    Ich erkannte die Stimme – Freund Nelson. Da spitzten sich mir doch gleich die Ohren, rein metaphorisch gesprochen. „Am Apparat“, sagte ich.
    „Hier ist …“
    „Ich weiß, wer dran ist“, sagte ich ihm. „Woher wusstest du, wo ich bin?“
    „Sandra“, sagte er. „Ich habe sie auf dem Handy angerufen. Sie hat mir erzählt, dass Sie ein Zimmer genommen haben.“
    „Hmmm, und warum rufst du mich an?“
    „Molly meinte … hat gemeint, dass Sie Leuten helfen.“ Er hielt inne, um Luft zu schnappen und fuhr fort: „Ich glaube, ich brauche Hilfe. Schon wieder.“
    „Warum?“, fragte ich. Halte deine Fragen möglichst offen, sagte ich zu mir selbst. Biete ihm keine einfache Antwort. „Was ist los?“
    „Ich glaube, ich habe letzte Nacht während des Angriffes etwas gesehen.“
    Ich seufzte. „Da war die Hölle los“, pflichtete ich ihm bei. „Aber wenn du etwas gesehen hast, bist du Zeuge eines Verbrechens, Junge. Du solltest bei den Bullen vorbeischauen und mit ihnen zusammenarbeiten. Die werden immer so uneinsichtig, wenn ihnen Leute aus dem Weg gehen, die sie wegen eines Mordes ausquetschen wollen.“
    „Aber ich glaube … dass irgendetwas hinter mir her ist“, sagte er. Ein unsicheres Zittern schwang in Nelsons Stimme mit. „Sehen Sie, das sind nur Bullen. Die haben nur Knarren. Ich denke nicht, dass die mir helfen können. Aber ich hoffe, Sie können es.“
    „Warum?“, fragte ich. „Was hast du gesehen?“
    „Nein“, sagte er. „Nicht am Telefon. Ich will Sie treffen. Versprechen Sie mir, mir zu helfen. Dann werde ich es Ihnen sagen.“
    Klar. Weil ich nichts Besseres zu tun hatte. „Hör mal, Junge …“
    Nelsons Stimme überschlug sich plötzlich, außer Atem vor Furcht. „Oh Gott. Ich kann nicht hier bleiben. Bitte. Bitte.“
    „Gut, gut“, versicherte ich ihm und bemühte mich, meine Stimme so ruhig und bestimmt wie möglich klingen zu lassen. Der Junge hatte Angst – eine Angst, die bis ins Mark drang, ihm den Atem nahm und ihn halb in den Wahnsinn trieb. Es war ihm anscheinend unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. „Hör zu. Bleib immer unter Menschen, je mehr, desto besser. Gehe zur Kirche Saint Mary of the Angels. Das ist geweihter Boden, dort wirst du in Sicherheit sein. Frag nach Vater Forthill. Er ist ein kleiner Kerl, fast vollständig glatzköpfig, Brille, blaue Augen. Erzähl ihm alles und sage ihm, dass ich so schnell wie möglich auf dem Weg bin, um dich abzuholen.“
    „Ja, gut, danke“, stotterte Nelson fast schon hysterisch. Ich hörte ein kurzes Scheppern und dann rennende Schritte auf Asphalt. Er hatte nicht mal den Hörer zurück auf die Gabel gehängt, ehe er wie vom Teufel gejagt losgelaufen war.
    Ich knabberte an meiner Unterlippe. Der Junge steckte eindeutig in Schwierigkeiten, zumindest war er ehrlich davon überzeugt. Wenn dem so war, hatte er vielleicht tatsächlich etwas gesehen, etwas, das es für jemanden wichtig genug machte, ihn aus dem Weg zu schaffen – also höchstwahrscheinlich einen entscheidenden Hinweis, der mir ermöglichen würde, herauszufinden, was zum Geier hier eigentlich vor sich ging. Ich fühlte, wie Sorge mich wie ein Blitz durchzuckte. Geweihter Boden war ein mächtiges Abwehrmittel gegen die meisten Dinge, die dort draußen durch die Nacht spukten –

Weitere Kostenlose Bücher