Harry Dresden 08 - Schuldig
noch gelebt, als sich der Furchtfresser umgedreht hatte, um zu fliehen? Hätte ich die Blutung stoppen oder zumindest ausreichend lindern können, wenn ich zugelassen hätte, dass sich das Geschöpf ins Niemalsland zurückzog?
Ich ließ mir den Kampf nochmal durch den Kopf gehen. Ich erinnerte mich, wie befriedigend es sich angefühlt hatte, als aus dem Jäger die Beute geworden war, welche Genugtuung ich dabei empfunden hatte, diejenigen zu rächen, die der Fresser getötet hatte. Ich dachte an die Macht, die durch meinen Körper getost war, die pure, präzise Stärke des Angriffs, dem das Höllenfeuer noch zusätzlich Macht verliehen hatte und wie gut es sich angefühlt hatte, diese Stärke gegen etwas einzusetzen, das dies auch verdient hatte. Ich hatte nicht den geringsten Gedanken an den Zustand des Mädchens verloren.
Hatte ich sie einfach sterben lassen?
Mein Gott. Ich hätte den Phagen entkommen lassen können.
Ich hätte ihr helfen können.
Der Körper des Mädchens lag eingerollt da, still wie ein schlafendes Kind. Ihre toten Augen waren offen und glasig.
Ich stürmte zu einer Topfpflanze in der Nähe und übergab mich ungestüm.
Als ich fertig war, bemerkte Rawlins: „Sie sehen nicht gut aus.“
„Nein“, wisperte ich. Die Worte schmeckten bitter. „Das tue ich nicht.“
Mouse stieß einen Laut aus, der fast ein Wimmern war, und legte sein Kinn auf meine Schulter. Ich konnte den Blick einfach nicht von den getöteten Menschen lösen, und das Bild blieb auch klar in meinen Gedanken, als ich die Augen schloss. Das höllische Glosen meines Stabes wurde schwächer und erstarb.
„Ich muss Ordnung in dieses Chaos bringen“, seufzte Murphy. „Rawlins, behalten Sie ihn im Auge.“
„Jawohl.“
Sie nickte, stand auf und ging forschen Schrittes weg, wobei sie mit heller Stimme Befehle bellte. „Sie und Sie“, rief Murphy, die auf zwei Polizisten in ihrer Nähe zeigte. „Kommen Sie rüber und helfen Sie den Verwundeten. Stellen Sie fest, ob sie frei atmen können. Blutungen. Puls.“ Sie erhob die Stimme und brüllte: „Stallings! Wo zum Teufel bleibt mein Krankenwagen?“
„Zwei Minuten!“, schrie ein Mann etwas weiter den gedämpft beleuchteten Gang in Richtung Hotellobby hinunter. Sah aus, als hätte jemand zwei oder drei Streifenwagen so vor der Hotelfassade geparkt, dass deren Scheinwerfer in das dunkle Gebäude leuchteten.
Rawlins sah sich die Überreste des Schlachtfestes an, die säurezerfressenen Wände und die eingedrückte Wand und Decke, die wirkten, als hätten sie mit einer Abrissbirne geknutscht. Er schüttelte den Kopf. „Was zur Hölle ist hier vorgefallen?“
„Einer von den Bösen“, antwortete ich. „Hab ihn erwischt. Aber nicht schnell genug.“
Rawlins stieß ein Grunzen aus. „Kommen Sie. Am besten, wir gehen in die Hotelhalle hinüber. Bis die Lichter wieder angehen, ist es hier möglicherweise nicht sicher.“
„Was ist bei Ihnen passiert?“, erkundigte ich mich.
„Die gottverdammte Kerze explodierte mir ins Gesicht. Dann gingen die Lichter aus. Für einen Augenblick glaubte ich fast, ich wäre erblindet.“
Ich grunzte. „Tut mir leid.“
„Einige Zivilisten waren bewaffnet. Dieses heulende Ding ist in der Dunkelheit an uns vorbeigelaufen, und dann ist eine Panik ausgebrochen. Eine Massenpanik im Dunklen. Die Leute haben sich gegenseitig zertrampelt und noch mehr Angst bekommen. Zivilisten haben geschossen. Polizisten haben das Feuer eröffnet. Wir haben einen Toten und ein paar Dutzend Verletzte.“
Wir erreichten die Hotelhalle und sahen, wie weitere Polizeiautos mit Rettungsteams im Schlepptau eintrafen. Dort, wo Murphy die meisten Verletzten hatte hinbringen lassen, bauten die Notärzte und Rettungssanitäter eine improvisierte Station auf, um sich die Opfer einmal anzusehen. Kurze Zeit später waren sie schon fleißig damit beschäftigt zu stabilisieren, zu bewerten und Wiederbelebungsmaßnamen durchzuführen. Die schlimmsten Fälle wurden innerhalb der nächsten sechs oder sieben Minuten in Ambulanzen verladen, die zum nächsten Krankenhaus rasten.
Der Strom keinen Widerspruch duldender Befehle, den Murphy ausgestoßen hatte, war schließlich versiegt, und nun stand sie in der Nähe des Bereiches, wo die Opfer untersucht wurden. Ich ging zu ihr hinüber und baute mich neben ihr auf. Mouse schob seine Schnauze unter ihre Hand, doch Murphy tätschelte ihn nur geistesabwesend. Ich folgte ihrem besorgten Blick. Die Notärzte kümmerten sich um
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