Harry Dresden 08 - Schuldig
Hölle, ich hatte noch nicht mal meinen Staubmantel mit, und nun, da unheimliche Kälte durch das Hotel waberte, vermisste ich ihn gleich aus mehreren Gründen.
Ich legte mein Amulett wieder um, angelte mir mein Schildarmband und bereitete es für den Gebrauch vor, was eine zweite, blau glimmende Lichtquelle ins Leben rief – wenn auch unabsichtlich. Das silberne Armband, dass ich dazu verwendete, magische Macht zu einer festen Fläche aus Energie zu bündeln, hatte im selben Feuer gelitten, das mich meine linke Hand großteils gekostet hatte, und nun regneten blaue Lichtfunken davon herab, wann immer ich den Arm bewegte. Der Schild musste bereit sein, damit ich ihn von einem Augenblick auf den nächsten benutzen konnte. Er würde das Einzige sein, was zwischen mir und dem stand, was da auch immer aus dem Nebel galoppiert kommen mochte.
Ich nahm meinen Stab in die rechte Hand. Wenn es an der Zeit war, amoklaufende Ungeheuer in ihre Bestandteile zu zerlegen, zog ich für gewöhnlich meinen Sprengstock vor, doch es hatte in meiner Vergangenheit den einen oder anderen Zwischenfall mit Feuer und Gebäuden gegeben. Wenn ich nun fröhlich in einem völlig überfüllten Hotel mit Flammen um mich warf, um das Vieh zu erledigen, war es möglich, dass ich am Ende des Tages mehr Leute auf den Gewissen hatte als die rasende Bestie. Mein Stab war ein raffiniertes Werkzeug, zwar bei weitem nicht so mächtig wie mein Sprengstock, doch rein magisch gesehen vielseitiger.
Außerdem konnte ich, wenn es hart auf hart kam, jemandem damit die Rübe einschlagen – was zwar einerseits nicht wahnsinnig subtil war, aber andererseits ein verdammt beruhigender Gedanke.
Die Notlichter hatten nicht aufgeleuchtet, also hatte sie jemand bewusst manipuliert, oder genug magische Energie segelte durch die Luft, um sie in ihrer Funktion zu stören. Aber als ich mich weiter an die Hotelküche herantastete, hatte ich nicht das Gefühl, als läge genug magische Hintergrundenergie in der Luft, um ein technisch primitives Gerät wie eine batteriebetriebene Lampe durchbrennen zu lassen. Das wiederum bedeutete, dass sich jemand absichtlich die Mühe gemacht hatte, die Notbeleuchtung vom Netz zu nehmen, sei es durch Magie oder andere Mittel, und es war nicht schwer zu erraten, weshalb.
Pistolenschüsse peitschten durch die Luft, der Klang seltsam verzerrt durch die Akustik des Gebäudes; es klang irgendwie matt und blechern, als würde jemand einen Abfalleimer mit einem Baseballschläger bearbeiten. Verstörte Rufe, ängstliche Schreie und auch Schmerzenslaute hallten um mich herum, als die Leute durch die Finsternis taumelten, stürzten oder gegen Möbelstücke oder einander prallten. Das Gebäude hatte sich bereits etwas geleert, zumindest der erste Stock, doch nun hatte die plötzliche Finsternis eine Massenpanik hervorgerufen, und Besucher waren im Gedränge verletzt worden. Die Dunkelheit hatte für Verwirrung gesorgt, die die geplanten Opfer an der Flucht hinderte. Zurück blieben die Verletzten, die sich aus eigener Kraft weder verteidigen noch das Hotel verlassen konnten, und diese Hilflosigkeit wiederum würde sie halb wahnsinnig vor Angst werden lassen.
Gehaltvollere Leckerbissen für die Furchtfresser.
Ein metallisches, durchdringendes Kreischen drang wie eine plötzliche, betäubende Schockwelle an mein Ohr, und meine Beine rührten sich nicht mehr vom Fleck, ohne dass ich ihnen das befohlen hätte. Der Laut hatte an irgendetwas Primitivem in meinem Stammhirn gerührt, und meine Instinkte befahlen mir, stehen zu bleiben und mich ganz klein und unsichtbar zu machen. Ich fiel auf ein Knie, und blankes Entsetzen lastete urplötzlich wie ein Gewicht auf meinen Schultern. Im Nachhall dieses Kreischens hörte ich, wie menschliche Kehlen in meiner Nähe vor Panik aufbrüllten, und ich konnte die Gestalten der Leute um mich herum ausmachen, klobige Schatten im schwachen Licht meines Schildarmbandes.
Plötzlich schoss eine Flamme vor mir hoch, und ich sah, wie eine niedergekauerte, junge Frau ein Benzinfeuerzeug in einer Hand hochhielt, die so stark zitterte, dass es an ein Wunder grenzte, dass die Flamme nicht erlosch.
„Nein!“, brüllte ich. Ich stemmte mich auf die Füße und stürzte zu ihr hinüber. „Licht aus!“
Ihr Gesicht ruckte im Licht der kleinen Flamme geisterhaft zu mir herüber, und ihr Mund bewegte sich, ohne dass ihr ein Laut von den Lippen drang – und dann prallte etwas von der Größe eines Berglöwen gegen ihre
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