Harry Dresden 08 - Schuldig
ist doch ziemlich hitzig.“
„Ja?“, staunte ich. „Wer liegt in Führung?“
Sein Lächeln wurde breiter. „Nun, Paolo Ortegas Witwe. Herzogin Arianna vom Roten Hof.“
Mir wurde plötzlich kalt.
Der Rote Hof hatte mich in der Vergangenheit schon einmal gefangen gehalten. In völliger Dunkelheit, umgeben von einer Menge zischender, monströser Schemen.
Man hatte Dinge mit mir getan.
Ich hatte nichts ausrichten können.
Ich hatte noch immer Alpträume, die die Erinnerung daran frisch hielten. Nicht jede Nacht, aber oft genug. Oft genug.
Crane schloss die Augen und atmete mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck ein. „Sie ist ziemlich kreativ, wenn sie es mit dem zu tun hat, der ihren Mann ins Verderben gestürzt hat. Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, dass Sie sich fürchten. Wer würde das in Ihrer Lage nicht tun?“
„He“, sagte ich zu ihm, wohl wissend, dass ich mich an Strohhalme klammerte. „Rufen Sie doch den Weißen Rat an. Wenn es auch sonst nichts nützt, treibt es vielleicht die Gebote hoch.“
Crane frohlockte. „Das habe ich längst.“
In mir keimte neue Hoffnung auf. Wenn der Rat Bescheid wusste, dass ich in der Tinte saß, konnte er möglicherweise etwas unternehmen, um mir aus der Patsche zu helfen. Vielleicht waren meine Retter sogar genau in diesem Moment schon auf dem Weg. Also musste ich Zeit schinden und Crane am Reden halten. „Ach, und was haben die gesagt?“
Er grinste noch breiter. „Es sei der unerschütterliche Grundsatz des Weißen Rates, nicht mit Terroristen zu verhandeln.“
Der Leichnam der Hoffnung vollführte noch ein paar postmortale Zuckungen.
Sein Mobiltelefon summte schon wieder. Er trat abermals beiseite und redete leise mit uns zugewandtem Rücken. Nach einem Augenblick schnippte er mit den Fingern und sagte: „Glau, holen Sie den Rechner. Die Auktion schließt in fünf Minuten, und in den letzten Sekunden ist der Andrang immer am höchsten. Wir müssen ein Konto prüfen.“ Er widmete sich wieder seinem Mobiltelefon. „Nein, das ist unannehmbar. Nur Nummernkonten. Ich vertraue PayPal einfach nicht.“
„He!“, beschwerte ich mich. „Verscherbeln Sie mich da gerade über eBay?“
Crane zwinkerte mir zu. „Welch Ironie, nicht? Auch wenn ich zugeben muss, dass ich doch überrascht bin. Woher wissen Sie, was eBay ist?“
„Ich lese viel“, erläuterte ich.
„Ah“, meinte er gedehnt. „Glau. Der Rechner.“
Glau nickte, doch gab er zu bedenken: „Wir sollten sie nicht unbeaufsichtigt lassen.“
„Ich kann sie ja noch sehen“, erwiderte Crane gereizt, „und jetzt vorwärts.“
Ich konnte an Glaus Miene ablesen, dass er nicht Cranes Meinung war, doch er trollte sich.
Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen und gab mir Mühe, trotz meiner Kopfschmerzen, meiner Anspannung und meiner wachsenden Verzagtheit klar zu denken. Es musste einen Ausweg geben. Ich hatte es geschafft, aus weit verzwickteren Situationen zu entkommen.
Selbstverständlich hatte ich dann immer Magie zur Verfügung gehabt. Vermaledeite Handfesseln! Solange sie mich von meinen Kräften abschnitten, konnte ich weder Rawlins noch mich selbst befreien.
„Also, du Torfkopf“, sagte ich in Gedanken zu mir selbst. „Werde die Fesseln los. Oder tu etwas, das nicht durch sie beeinträchtigt wird. Aber mach endlich was. Es ist deine einzige Chance.“
„Nur wie?“, brummte ich. „Ich weiß nicht das Geringste über diese verflixten Dinger!“
Rawlins blinzelte in meine Richtung. Ich verzog das Gesicht, schüttelte den Kopf und schloss dann meine Augen. Ich blendete alle Ablenkungen aus und konzentrierte mich auf mein Inneres. Es war ein Leichtes, mir einen leeren Raum vorzustellen; der dunkle, ebene Boden wurde von einer nicht sichtbaren Lichtquelle über meinem Kopf erhellt. Ich stellte mir vor, ich stünde direkt darunter.
„Lasciel“, sagte mein Ebenbild ruhig. „Ich suche Rat.“
Sie erschien augenblicklich und trat in den Lichtkegel. Sie hatte fast die Gestalt, die ich nun schon gewohnt war, die schnörkellose lilienweiße Tunika, den großen, liebreizenden Körper, doch ihr sonst blondes Haar fiel in kastanienbraunen Fluten bis zu ihrer Taille über ihre Schultern. Sie verbeugte sich tief und wisperte: „Hier bin ich, mein Gastgeber.“
„Du hast eine neue Haarfarbe“, sagte ich.
Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. „Es gibt viel zu viele Blondinen in deinem Leben. Ich hatte Angst, in der Masse unterzugehen.“
Ich seufzte. „Die Handfesseln“,
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