Harry Dresden 08 - Schuldig
verduften.“
„Die Tür ist mit Ketten gesichert“, sagte Rawlins.
„Lassen Sie das meine Sorge sein.“
Rawlins kniff die Augen zusammen. Er sah extrem erschöpft aus. „Warum eigentlich nicht“, sagte er. „Warum nicht.“
Ich nickte und schloss die Augen, atmete langsamer und konzentrierte mich.
„He“, sagte Rawlins. „Wie werden Sie aus den Handfesseln rauskommen?“
„Haben Sie je von den Yogis aus dem Osten gehört?“
„Klar“, erwiderte er wie aus der Pistole geschossen, „Yogi-Tee und Yogi Bär.“
„Nicht diese Yogis. Yogis wie in Schlangenbeschwörer.“
„Oh. Richtig.“
„Die verbringen ihr gesamtes Leben damit zu lernen, wie sie ihren Körper vollständig beherrschen können, und haben ein paar wirklich erstaunliche Dinge drauf.“
Rawlins nickte. „Sich auf eine Größe zusammenzuklappen, dass man sie in eine Sporttasche stopfen kann, zum Beispiel. Oder für eine halbe Stunde am Grunde eines Schwimmbeckens sitzen.“
„Genau“, sagte ich. Ich folgte Lasciels Anweisungen und versank immer tiefer in Konzentration. „Einige von ihnen können sogar die Knochen in ihren Händen auskugeln und Ihre Muskeln und Sehnen verwenden, um eine völlig andere Spannung zu erzeugen, wodurch sie die Form ihrer Hand ändern können.“ Ich konzentrierte mich auf meine linke Hand, und für einen Augenblick war ich heilfroh, dass diese bereits so verstümmelt und halb taub war. Was ich vorhatte, würde selbst unter Lasciels Anleitung höllisch weh tun. „Passen Sie kurz für mich auf und halten Sie sich bereit.“
Er nickte, bewegte sich nicht und verzichtete auch darauf, den Kopf in Richtung Glaus oder Cranes zu drehen.
Ich verbannte ihn, die Werkstatt, meine Kopfschmerzen und auch sonst alles, was nicht meine Hand war, aus meinen Gedanken. Ich hatte zwar eine Grundidee, was nun folgen sollte, doch ich hatte es noch nie ausprobiert. Es fühlte sich verdammt komisch an, ganz so, als sei ich ein berühmter Konzertpianist, dessen Fingern urplötzlich die Tasten eines Flügels nicht mehr vertraut waren.
„Nur keine Eile“, ermahnte mich Lasciels Stimme in meinem Kopf. „Deine Muskeln und Gelenke sind an so etwas nicht gewöhnt.“ Ein seltsames Gefühl durchzuckte meine Gedanken, und es kam mir vor, als erinnere ich mich plötzlich, wie man einen komplizierten Knoten knüpfte, den ich vor langer Zeit einmal mühelos beherrscht hatte. „Genau so“, wisperte Lasciels Stimme, und diese eigenartige Vertrautheit pulsierte durch meinen Arm.
Ich winkelte den Daumen an, vollführte eine wellenförmige Bewegung mit den Fingern und spannte von einem Augenblick auf den nächsten meine Hand urplötzlich an. Ich renkte mir den Daumen mit einem ekelerregenden Schnalzen reißenden Gewebes aus.
Eine Sekunde lang fürchtete ich, vor Schmerzen das Bewusstsein zu verlieren.
„Nein“, ermahnte mich Lasciel streng. „Du musst die Kontrolle bewahren. Du musst entkommen.“
„Ich weiß“, knurrte ich sie im Geiste ungehalten an. „Augenscheinlich hindern einen beschädigte Nerven in einer verbrannten Hand nicht daran, Schmerz zu empfinden, wenn einem jemand den Finger ausreißt!“
„Jemand?“, fragte Lasciel belustigt. „Du warst es doch selbst, mein Gastgeber.“
„Kannst du bitte verschwinden und mir etwas Raum zum Arbeiten lassen?“
„Das ist doch lächerlich“, schniefte Lasciel. Doch das Gefühl ihrer Gegenwart verschwand mit einem Schlag.
Ich atmete tief und möglichst leise ein und begann, meine linke Hand zu drehen. Durchdringender Schmerz flammte in meiner Hand auf, doch er befeuerte meine Anstrengungen nur umso mehr, und so fuhr ich langsam, aber unablässig fort, mich zu befreien. Mit der rechten Hand umfasste ich sachte die metallene Fessel an meinem linken Handgelenk und begann, meine Hand durch das kalte Rund aus Metall zu ziehen. Das Gefühl, wie sich meine Hand nun einfaltete, war völlig fremdartig, und der Schmerz, der mir durch Mark und Bein zuckte, raubte mir schier den Atem.
Doch die Metallfessel schob sich mehrere Zentimeter über meine Haut.
Erneut verdrehte ich meine Hand in derselben Bewegung wie zuvor. Ich hielt den Druck ständig aufrecht und hieß den Schmerz als etwas, das mich anstachelte, statt mich abzuschrecken, willkommen.
Abermals rutschte die Fessel weiter, und ich konnte die Freiheit schon förmlich riechen. So sehr ich mich auch abmühte, den Schmerz in kontrollierte Bahnen zu lenken, er wurde immer durchdringender, wie die Nachmittagssonne, die
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