Harry Dresden 08 - Schuldig
in den Arsch zu treten. Was wir allerdings dringend brauchten, war Wissen. Ohne dieses Wissen würde uns alle Arschtreterei der Welt nichts bringen.
Trotzdem starrte ich das Schwert noch eine Minute lang an, um auf Nummer sicher zu gehen.
Keine strahlenden Lichter. Keine Geräuscheffekte. Mir schoss noch nicht einmal urplötzlich eine vage Vorahnung durch den Kopf. Mir schien, das war nicht gerade die Art von Hilfe, die der Himmel im Augenblick verteilte.
Ich ließ mich zurück in meinen Ohrensessel sinken. Charity hatte sich wieder ihrem stillen Gebet gewidmet. Ich versuchte verzweifelt, Dinge zu denken, die einen Sinn ergaben und hoffte innständig, dass Gott es Molly nicht übelnehmen würde, dass ich auf ihrer Seite stand.
Ich warf einen Blick über die Schulter. Thomas hatte das Gespräch verfolgt und ein fast übernatürliches Talent an den Tag gelegt, sich nicht in die Unterhaltung verwickeln zu lassen. Er betrachtete Charity besorgt, sah dann zu mir herüber, und seine Augen schienen all das widerzuspiegeln, was mir im Moment ebenfalls das Leben schwer machte. Dann brachte er uns allen eine Tasse Tee und verzog sich wieder in die Kochnische, während Charity ins Gebet vertieft blieb.
Etwa zehn Minuten später klopfte Murphy an die Tür und öffnete sie dann. Außer Thomas war sie die einzige Person, der ich ein Amulett anvertraut hatte, das sie unbeschadet durch meine Schutzzauber treten ließ. Sie trug ihre übliche Arbeitskleidung: schwarzes Jackett, weißes Hemd, dunkle Hose, bequeme Schuhe. Ihr Blick schweifte durch den Raum. Sie runzelte die Stirn und schloss die Tür.
„Was ist los?“
Ich brachte sie auf den neusten Stand und schloss damit, wie ich versagt hatte, die Spur des Mädchens aufzunehmen.
„Du versuchst, Molly zu finden?“, fragte Murphy. „Mit einem Zauber?“
Ich nickte.
„Ich hätte gedacht, das wäre eine ziemliche Routineangelegenheit für dich“, meinte sie. „Ich kann mich an zumindest vier oder fünf Gelegenheiten erinnern, bei denen du das abgezogen hast.“
Ich schüttelte den Kopf. „Da habe ich immer danach gesucht, wo etwas im Augenblick ist. Ich will aber herausfinden, wo Molly war . Das ist etwas anderes.“
„Inwiefern?“, fragte Murphy. „Warum machst du dich nicht gleich zu ihr auf?“
„Weil die Traumdiebe sie zurück zu ihrem Zuhause verschleppt haben“, entgegnete ich. „Sie ist im Niemalsland. Ich kann sie dort nicht ansteuern. Die erfolgversprechendste Möglichkeit ist herauszufinden, wo sie von unserer Welt ins Niemalsland übergewechselt sind, ihnen zu folgen und meinen gewöhnlichen Suchzauber einzusetzen, sobald ich dort bin.“
„Oh.“ Sie runzelte die Stirn. „Dafür brauchst du ihr Haar?“
„Genau“, antwortete ich. „Das ich allerdings nicht habe. Also stecken wir im Augenblick fest.“
Sie nagte an ihrer Lippe. „Könntest du nicht auch etwas anderes benutzen?“
„Abgeschnittene Nägel“, erwiderte ich. „Oder Blut, wenn es frisch genug ist.“
„Mhm“, grunzte Murphy. Dann nickte sie in Charitys Richtung. „Was ist mit ihrem Blut?“
„Was?“, fragte ich.
„Sie ist doch die Mutter des Mädchens“, erläuterte Murphy. „Blut von ihrem Blut. Würde das nicht klappen?“
„Nein“, antwortete ich.
„Oh“, sagte Murphy, „und warum nicht?“
„Weil …“ Ich runzelte die Stirn. „Äh …“ Ich musterte Charity einen Augenblick. Wenn man es genau nahm, gab es eine starke magische Verbindung zwischen Eltern und Kindern. Meine Mutter hatte einen Spruch gewoben, der sich mit Thomas und mir verbunden und bestätigt hatte, dass wir tatsächlich Brüder waren. Die Verbindung hatte sich gebildet, auch wenn wir nur einen Elternteil gemeinsam hatten. Ein Blutsband ist das Stärkste, das man in der Magie kennt. Ich ließ mir das Ganze noch einmal durch den Kopf gehen und keuchte: „ Sterne und Steine, das funktioniert nicht nur. Im Fall dieses Zaubers funktioniert es wahrscheinlich sogar besser!“
Charity schwieg, doch in ihren Augen leuchtete eine beständige, unerschütterliche Kraft. Ich dachte bei mir: „So sieht also Glaube aus.“
Ich nickte ihr kurz anerkennend zu.
Dann wandte ich mich an Murphy und gab ihr einen freudetrunkenen Kuss auf den Mund.
Murphy zwinkerte völlig verblüfft.
„Ja!“, jauchzte ich lachend. „Du bist die Beste! Los, Team Dresden!“
„He, ich bin doch die Beste“, beschwerte sie sich. „Los, Team Murphy!“
Thomas schnaubte. Selbst Charity lächelte verhalten, auch
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