Harry Dresden 08 - Schuldig
wenn sie die Augen geschlossen und den Kopf gesenkt hatte, während sie anscheinend dem Allmächtigen dankte.
Murphy hatte genau die Frage gestellt, die ich hatte hören müssen, um über die Lösung zu stolpern. Hilfe von oben? Ich war mir nicht zu gut, Hilfe von oben anzunehmen, und wenn man bedachte, wessen Kind in Gefahr schwebte, war es gar nicht unwahrscheinlich, dass Gott wirklich eingegriffen hatte. Ich tippte mir in Gedanken an den Hut und nickte kurz vage dankend Richtung Himmel, um mich dann umzudrehen und wieder in mein Labor zu eilen. „Charity, ich nehme einmal an, Sie sind bereit, Blut für diese edle Sache zu spenden?“
„Natürlich“, entgegnete sie.
„Dann sind wir wieder im Geschäft. Macht euch bereit. Das wird nicht mal eine Minute dauern.“
Ich hielt inne und legte Charity die Hand auf die Schulter. „Dann holen wir Ihre Tochter zurück.“
„Ja“, flüsterte sie, und in ihren Augen glänzten lodernde Flammen. „Ja.“
Diesmal funktionierte der Zauber. Ich hätte eigentlich wissen müssen, wo die Traumdiebe den schnellsten Weg aus ihrem Reich nach Chicago gefunden hatten. Es war eines der Dinge, die im Nachhinein gesehen mehr als offensichtlich waren.
Charitys Minivan kam knirschend auf dem kleinen Parkplatz hinter Clark Pells heruntergekommenem Kino zum Stehen. Man konnte den Parkplatz von der Straße aus nicht einsehen. Die Sonne war während der Fahrt aufgegangen, auch wenn dichte Wolken und ein entferntes Donnern bereits so früh am Tag ungewöhnlich schlechtes Wetter versprachen. Auch das hätte mich nicht überraschen sollen. Wann immer die Feenköniginnen hinter den Kulissen die Strippen zogen, schien das Wetter einen Hinweis auf ihre Gegenwart zu geben.
Murphys Auto kam gleich hinter dem Minivan auf den Parkplatz gefahren und blieb neben Charitys Wagen stehen.
„So, Murph, Thomas“, sagte ich, als ich aus dem Van stieg. „Grundkurs Feenbekämpfung.“
„Ich weiß Bescheid, Harry“, sagte Thomas.
„Ja, aber ich werde das alles trotzdem noch einmal kurz wiederholen, also hör gut zu. Wir werden ins Niemalsland reisen. Wir müssen uns um ein paar fiese Feen kümmern, also müssen wir auf Illusionen vorbereitet sein.“ Ich kramte in meinem Rucksack und zog ein Tiegelchen hervor. „Das ist eine Salbe, die uns ermöglichen sollte, einen Großteil ihres Blendwerks zu durchschauen.“ Ich ging zu Thomas hinüber, klatschte ihm etwas davon auf die Lider und kümmerte mich dann um Murphys Augen, bevor ich mich mir selbst zuwandte. Die Salbe hatte ich basierend auf einem Rezept des Torwächters hergestellt. Meine roch besser, doch sie färbte jeden noch so kleinen Flecken Haut, mit dem sie in Berührung kam, dunkelbraun. Ich wollte gerade das Tiegelchen wieder in den Rucksack schieben. „Nachdem wir …“
Charity nahm mir ruhig den Tiegel aus der Hand, öffnete ihn und schmierte sich selbst etwas Salbe auf die Augenlider.
„Was tun Sie da?“, wollte ich wissen.
„Ich bereite mich darauf vor, meine Tochter zurückzuholen“, antwortete sie.
„Sie kommen nicht mit“, sagte ich zu ihr.
„Doch.“
„Nein. Das ist wahnsinnig riskant. Wir können es uns nicht leisten, für Sie den Babysitter zu spielen.“
Charity schraubte den Deckel zurück auf das Tiegelchen und ließ es in meinen Rucksack fallen, dann öffnete sie eine Schiebetür ihres Minivans und zog zwei stabile Behälter aus Hartplastik hervor. Sie öffnete den ersten und schälte sich aus ihrem Pullover.
Mir fielen mehrere Dinge gleichzeitig auf. Erstens, Charity hatte das große Los in der Chromosomenlotterie gezogen, was ihren Körper anging. Sie trug einen Sport-BH unter ihrem Pulli und sah aus, als könne sie sofort anfangen, als Model zu arbeiten, sollte ihr etwas daran liegen. Molly hatte ihr Aussehen von ihrer Mutter.
Das zweite, was mir ins Auge stach, waren Charitys Arme. Sie hatte breite Schultern für eine Frau, doch ihre Arme waren kräftig und wohl definiert. Besonders ihre Unterarme machten einen drahtigen, abgehärteten Eindruck, und ich sah, wie sich die Muskeln unter der straffen Haut bewegten. Ich wechselte einen Blick mit Murphy, die beeindruckt aussah. Ich musterte Charity mit gerunzelter Stirn.
Charity kramte einen Waffenrock aus der ersten Plastikwanne, und damit meine ich kein abgetragenes Relikt aus längst vergangenen Zeiten. Es handelte sich um ein sorgsam abgestepptes Gewand, schwere, schwarze Baumwolle über der Wattierung, die noch zusätzlich durch jede Menge
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