Harry Dresden 08 - Schuldig
„Wenn du noch einmal vor der Wahl stündest, würdest du es erneut tun?“
„Definitiv ja“, antwortete ich wie aus der Pistole geschossen.
„Dann war es notwendig, Harry. Es schmerzt. Es wird dich verfolgen. Aber letztlich hast du getan, was du für richtig hieltest. Du wirst damit leben können.“
„Echt?“, seufzte ich und nagte an meiner Unterlippe.
„Das verspreche ich dir“, versicherte er.
Ich schielte verhalten zu ihm hinüber. „Du … verachtest mich jetzt nicht? Wo du weißt, dass ich ein Killer bin?“
„Es ist nicht an mir, über dich zu richten. Ich bedauere die Leben, die du ausgelöscht hast. Dass diese Menschen nie Erlösung gefunden haben. Ich mache mir Sorgen wegen des Leids, das du dir selbst zugefügt hast. Aber ich glaube keine Sekunde, dass du ein Leben nehmen würdest, wenn du es nicht für absolut unabdingbar halten würdest.“
„Echt?“
„Ich vertraue dir“, sagte Michael ruhig. „Ich hätte nie meine Familie unter deinem Schutz zurückgelassen, wenn es anders wäre. Du bist ein anständiger Mensch.“
Ich atmete langsam aus, und meine Schultern entspannten sich. „Gut.“
Dann, noch ehe mein Gehirn Einspruch einlegen konnte, fügte ich hinzu: „Ich habe einen der Schwarzen Denare aufgehoben. Lasciel.“
Mein Herz vollführte mehrere Sprünge, als ich ihm das gestand.
Ich hatte erwartet, dass er bestürzt, entgeistert, ärgerlich oder vielleicht sogar voller Abscheu reagieren würde.
Stattdessen nickte Michael. „Ich weiß.“
Ich blinzelte. „Bitte?“
„Ich weiß“, wiederholte er.
„Du weißt es? Du hast es die ganze Zeit gewusst?“
„Ja. Ich trug gerade den Müll raus, als Nicodemus vorbeifuhr. Ich habe alles mit angesehen. Ich sah, wie du meinen Jüngsten beschützt hast.“
Ich kaute an meiner Lippe. „Du ziehst mir jetzt keine über und schleifst mich ins Zuchthaus für missratene Denarianer?“
„Jetzt mach dich doch nicht lächerlich“, schalt mich Michael. „Bitte erinnere dich daran, dass die Kreuzritter nicht gegründet wurden, um Denarianer zu vernichten. Wir sollen sie vor den Gefallenen retten. Es ist meine Pflicht, dir wie auch immer beizustehen. Ich kann dir helfen, die Münze loszuwerden, wenn du das willst. Aber am besten ist es, wenn du dich selbst dafür entscheidest.“
„Eigentlich muss ich sie nicht loswerden“, grummelte ich. „Ich habe sie nie wirklich genommen. Ich habe sie vergraben und kein einziges Mal eingesetzt.“
Michael blickte verblüfft drein. „Nicht? Das sind gute Nachrichten. Auch wenn es bedeutet, dass der Schatten der Gefallenen nach wie vor versucht, dich zu überreden, wenn ich nicht irre.“
Diesmal schallte das boshafte Lachen laut und deutlich durch meine Gedanken. „Ach, halt doch die Klappe“, dachte ich in Lasciels Richtung.
„Er versucht es die ganze Zeit“, gab ich zu.
„Du darfst nie vergessen, dass Lasciel eine Blenderin ist“, mahnte er leise. „Eine mit Jahrtausenden an Erfahrung. Sie kennt die Menschen. Sie weiß genau, wie sie dir Lügen auftischen muss, damit du sie für wahr hältst. Aber ihr Schatten besteht nur aus einem Grund – um deinen Willen zu erschüttern und den Glauben der Menschheit zu verderben. Vergiss das nie.“
Ich schauderte. „Ja.“
„Darf ich fragen, was dir der Schatten eingeflüstert hat?“ Er hielt inne, und seine Augen verengten sich. „Lass mich raten. Er ist dir in Gestalt einer jungen, anziehenden Frau erschienen. Sie hat dir Wissen angeboten, nicht? Ihrer ganze Erfahrung?“
„Allerdings“, antwortete ich und fügte dann noch hinzu: „Und Höllenfeuer. Dadurch haben meine Zauber wenn nötig mehr Durchschlagskraft. Ich gebe mein Bestes, es nicht zu oft einzusetzen.“
Michael schüttelte den Kopf. „Man nennt Lasciel nicht umsonst die Verführerin. Sie kennt dich. Sie weiß genau, was sie dir anbieten muss und vor allem, wie.“
„Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen“, stöhnte ich und verstummte kurz. „Manchmal habe ich Angst davor.“
„Du musst die Münze loswerden“, drängte er sanft.
„Liebend gern“, seufzte ich. „Nur wie?“
„Entsage der Münze aus freiem Willen, und verzichte auf deine Macht. Wenn du das tust, wird Lasciels Schatten verblassen und verschwinden.“
„Was meinst du damit?“
„Gib die Magie auf“, sagte er. „Verzichte auf sie. Für immer.“
„Vergiss es.“
Er zuckte zusammen und wandte den Blick ab.
Der Rest der Fahrt zu ihm nachhause verlief in Schweigen. Als wir
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