Harry Dresden 08 - Schuldig
Wird das nicht vererbt?“
„Für gewöhnlich schon“, sagte ich. „Aber nicht immer. Manche Leute werden mit dieser Gabe geboren. Wir verstehen selbst nicht ganz, wie und warum.“
Er schüttelte den Kopf. „Wie konnte mir nur entgehen, was da mit ihr geschah?“
„Keine Ahnung. Aber wenn du’s rausfindest, verrate es bitte auch Charity. Sie hat mir dieselbe Frage gestellt.“
„Ich denke, wir sind alle blind, wenn es um Menschen geht, die uns am nächsten stehen“, seufzte er.
„Das liegt in der Natur des Menschen“, stimmte ich zu.
„Ist Molly in Gefahr?“, fragte er mich offen.
Ich runzelte nachdenklich die Stirn. „Ja. Sie besitzt wahre Macht und hat sie auch ein wenig missbraucht. Sie wird ernsthaft in Versuchung geraten, wenn sie über Probleme stolpert, die ihr unlösbar scheinen. Und nicht nur das. Die Kräfte in sich zu kontrollieren kann verdammt haarig werden. Aber sie ist schlau und hat jede Menge Mut. Wenn ihr Mentor sie von blöden Fehlern abhält, sollte sie klarkommen.“
„Aber wenn nicht“, sagte Michael. „Wenn sie ihre Macht erneut missbraucht …“
„Gibt es keine Gnade mehr. Man wird sie hinrichten.“
„Ja, und dich auch“, sagte Michael sanft.
Ich zuckte die Achseln. „Was den Rat angeht, bin ich im Moment für sie verantwortlich, bis sie zu einer voll anerkannten Magierin wird oder ihre Gabe hinter sich zurücklässt.“
„Niemand hat größere Liebe“, sagte er leise. „Nichts, was ich sagen könnte, wäre genug. Sie ist meine Tochter, Harry. Danke.“
Ich fühlte, wie meine Wangen zu glühen begannen. „Ja, ja. Mach aus einer Mücke keinen Elefanten. Das bringt niemandem was.“
Er stieß ein lautes Lachen aus. „Dieses Lehrlingsdasein – was gehört da eigentlich alles dazu?“
„Unterricht. Zunächst jeden Tag, bis sie sich unter Kontrolle hat. Wir werden üben müssen, optimalerweise weit weg von allem, das brennbar ist. Häuser, Bäume, Tiere und so.“
„Wie lange wirst du mit ihr arbeiten müssen?“
„Bis wir fertig sind“, sagte ich und wedelte vage mit der Hand. „Ich weiß noch nicht. Ich habe noch nie eine Magierlehre von dieser Seite aus betrachtet.“
Er nickte. „Gut.“ Für einige Minuten fuhren wir schweigsam durch die Nacht. Dann wandte er sich wieder an mich. „Erinnerst du dich, dass ich in einer geschäftlichen Angelegenheit mit dir reden wollte?“
„Ja“, sagte ich. „Schieß los.“
„Fidelacchius“, sagte Michael. „Ich habe mich gefragt, ob du ein paar Kandidaten im Auge hast, die das Schwert übernehmen könnten.“
„Null“, sagte ich stirnrunzelnd. „Glaubst du, ich sollte mich auf die Suche machen?“
„Schwer zu sagen. Aber da nur noch Sanya und ich auf dem Schlachtfeld stehen, sind wir langsam etwas überarbeitet.“
Ich kratzte mich am Kinn. „Shiro meinte, ich würde den Träger erkennen, und das ist nicht passiert. Zumindest noch nicht.“
„Ich mache mir Sorgen, dass es nicht nur eine Frage der Geduld ist“, seufzte Michael. „Ich habe in unseren Aufzeichnungen nachgesehen. Dies ist nicht das erste Mal, dass der Weiße Rat gebeten wurde, eines der Schwerter aufzubewahren.“
Ich zog meine Brauen hoch und sah ihn an. „Echt?“
Er nickte.
„Ich und wer noch?“
„Merlin.“
Ich schnaubte. „Sicher? Der Merlin ist ein ziemlicher Vollidiot. Selbst du wärest dieser Meinung.“
„Nein, Harry“, seufzte Michael. „Nicht der Merlin des Rates. Merlin. Der ursprüngliche.“
Ich saß eine Minute mit offenem Mund da. Dann sagte ich: „Wow.“ Ich schüttelte den Kopf. „Glaubst du, ich sollte die Augen nach einem großen Stein offenhalten, das Schwert dort reinstecken und ihn auf dem Rasen des Weißen Hauses ablegen?“
Michael bekreuzigte sich. „Gott behüte. Nein. Ich habe nur …“ Er zog die Nase kraus. „Ein Bauchgefühl.“
„Du meinst, so in etwa, wie wenn du auf einen Auftrag im Namen des Herrn aufbrichst?“
„Nein. Ich rede von einem ganz normalen, menschlichen Bauchgefühl. Ich glaube, du solltest vielleicht der Geschichte nachgehen, wie Amoracchius damals seinen Besitzer gefunden hat.“
Das Schwert, von dem Michael sprach, ruhte sicher in seiner Scheide auf Michaels Brust, die Spitze zeigte zum Boden.
„Alter Schwede. Du meinst also … dieses Schwert dort. Dein Schwert ist also …“ Ich ließ die Worte so in der Luft hängen.
„Wahrscheinlich“, sagte er nickend. „Auch wenn die Aufzeichnungen der Kirche bruchstückhaft sind, war es uns doch
Weitere Kostenlose Bücher