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Harry Dresden 08 - Schuldig

Harry Dresden 08 - Schuldig

Titel: Harry Dresden 08 - Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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Es war keine Person, die sich um einen kümmerte. Es bestand aus Formularen, Kopien und Leuten mit Namen, die man sofort wieder vergaß. Kinder, die Glück hatten, wurden mehr oder weniger zufällig Pflegeeltern zugewiesen, denen sie wirklich wichtig waren. Doch für alle, die zurückblieben, bot das Leben eine einzige, große Lehrstunde, wie man auf sich selbst aufpasste – weil es sonst niemanden gab, dem es wichtig genug war, es für einen zu tun.
    Es war ein furchtbares Gefühl. Ich konnte gut darauf verzichten, auch nur die verblassende Erinnerung daran über mich ergehen zu lassen – doch wenn ich das Wort „Waise“ nur hörte, hetzten sofort diese leere Angst und dieser stille Schmerz aus den dunklen Winkeln meiner Gedanken herbei. Lange war ich dumm genug gewesen anzunehmen, ich würde mit allem alleine fertig. Aber das ist nur Hochmut. Niemand kann alles allein bewältigen. Manchmal braucht man Hilfe – selbst wenn sie nur in ein wenig Zeit und Aufmerksamkeit eines anderen Menschen besteht.
    Oder darin, jemanden durch das Stellen einer Kaution aus dem Knast zu holen.
    „Weshalb sitzt Nelson ein?“
    „Grob fahrlässige Körperverletzung.“ Sie atmete tief ein und fuhr fort: „Es ist eine lange Geschichte. Aber er ist süß. Er kann keiner Fliege etwas zu Leide tun.“
    Das wiederum führte mir drastisch vor Augen, wie jung Molly war. Jeder konnte einer Fliege etwas zu Leide tun, wenn es zum Äußersten kam. „Was ist mit deinem Vater? Der rettet doch fortwährend Leute.“
    Molly zögerte einen Augenblick, und ihre Wangen liefen rosa an. „Ähm. Meine Eltern mögen Nelson nicht. Vor allem Papa nicht.“
    „Ah“, sagte ich. „Nelson ist also diese Art von Freund.“ Langsam ergaben die Dinge Sinn. Dann stellte ich die Frage, auf die es ankam: „Warum ist es so wichtig, dass Nelson heute noch rauskommt?“
    Warten Sie, gleich kommt es.
    Molly ließ mein Handgelenk los. „Weil er höchstwahrscheinlich in Gefahr ist. Einer Gefahr, die ich nicht erklären kann. Er braucht deine Hilfe.“
    Na bitte, da war es.
    Manchmal schien es mir, als könne ich zaubern.

9. Kapitel
    M an hatte ihren Freund Nelson zwei Stunden zuvor festgenommen. Seine Kaution war so hoch, dass ich verdammt froh war, dass ich es mir in den vergangenen Jahren zur Angewohnheit gemacht hatte, immer etwas Geld zurück zu legen, falls ich einmal eilig an Kohle kommen musste. Eine Büromatrone mit harten Gesichtszügen sah mich durch das Sicherheitsglas argwöhnisch an, als ich die Summe in Zwanzigerscheinen abzählte. Sie zählte natürlich nach.
    „Danke“, sagte ich. „Es ist immer ein wunderbares Gefühl, wenn einem vertraut wird.“
    Sie sah nicht besonders amüsiert drein. Sie schob mir einige Vordrucke hin. „Bitte unterschreiben Sie hier und hier.“
    Ich unterschrieb, während Molly nervös im Hintergrund hin und her spazierte, wobei sie Mouse an der Leine hielt. Dann setzten wir uns und warteten. Molly wetzte herum, bis man ihren Schatz herausbrachte, um ebenfalls Formulare für seine Entlassung zu unterzeichnen.
    Nelson war nicht das, was ich erwartet hatte. Er war gut eine Handbreit größer als Molly. Er hatte ein längliches, schmales Gesicht, und ich hätte gezögert, seine Wangenknochen zu berühren, aus Angst, mich daran zu schneiden. Er war dünn, aber eher auf eine drahtige Art gertenschlank als schwächlich. Er bewegte sich anmutig, und ich hatte den Verdacht, dass es sich bei ihm um einen Fechter oder Kampfsportler handelte. Dunkles Haar fiel ihm in einem unordentlichen Mopp ins Gesicht. Er trug rechteckige Brillengläser mit einem silbernen Rahmen, Khakihosen und ein schwarzes T-Shirt, auf dem ebenfalls ein „Splattercon!!!“-Logo prangte. Er sah müde aus und brauchte dringend eine Rasur.
    Sobald er frei war, lief er zu Molly und umarmte sie. Die beiden redeten leise miteinander. Ich versuchte nicht, sie zu belauschen. Es schien falsch, ihre Privatsphäre zu verletzen. Außerdem verriet ihre Körpersprache mehr als genug. Die Umarmung dauerte ein, zwei Sekunden länger, als es Molly angenehm war, und als Nelson sich zu ihr herabbeugte, um sie zu küssen, lächelte sie ihn süß an und wandte dann ihr Gesicht ab, so dass sein Kuss ihre Wange traf. Da schien er es zu schnallen. Er biss sich auf die Unterlippe und trat einen Schritt zurück. Er rieb seine Hände an seiner Hose, als wisse er nicht, was er sonst mit ihnen anstellen sollte.
    „Gott behüte mich vor peinlicher Beziehungsmelodramatik“,

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