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Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Titel: Harry Dresden 09: Weiße Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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dieses Argument schon oft um die Ohren bekommen, doch jetzt, wo sie die Worte zum ersten Mal selbst langsam und bewusst aussprach, hatte sie deren Bedeutung tatsächlich verstanden, statt sie nur wie ein Papagei nachzuplappern. Dann sah sie zu mir auf. „Deshalb tust du es. Deshalb hilfst du Menschen. Du benutzt die Macht für jemand anderen als dich selbst.“
    „Das ist ein Teil davon“, sagte ich. „Ja.“
    „Ich fühle mich … so unglaublich dämlich.“
    „Es liegt ein Unterschied darin, ob man etwas weiß“ – ich tippte erneut an ihren Kopf – „oder ob man etwas weiß.“ Ich berührte sie behutsam über dem Solarplexus. „Verstanden?“
    Sie nickte. Dann nahm sie mir den Lederriemen ab und knotete ihn sich ums Handgelenk. Er war gerade noch lang genug, dass sie einen Knoten zustande brachte. Sie hob die Hand und zeigte sie mir. „Damit ich es nicht vergesse.“
    Ich lächelte und umarmte sie. Sie erwiderte die Umarmung. „Hast du auch solche Belehrungen bekommen?“
    „Im Großen und Ganzen ja“, sagte ich. „Von diesem grummeligen, alten Schotten auf einem Bauernhof in den Ozark-Bergen.“
    „Wann hört man eigentlich auf, sich wie ein Volldepp zu fühlen?“
    „Ich werde es dich wissen lassen, wenn es bei mir so weit ist“, antwortete ich, und sie lachte auf.
    Wir lösten die Umarmung, und ich sah ihr in die Augen. „Bist du noch dabei?“
    „Ja“, sagte sie schlicht.
    „Dann wirst du mit Ramirez und mir fahren. Wir parken außerhalb des Anwesens, und du bleibst im Auto.“
    Sie nickte. „Was tue ich?“
    „Halt Augen und Ohren offen. Bleib wachsam, vielleicht kannst du ja etwas fühlen. Wenn sich dir jemand nähert, verschwindest du. Wenn du einen Haufen Bösewichte kommen siehst, hupst du und verduftest.“
    „Gut“, bestätigte sie. Sie sah etwas blass um die Nase aus.
    Ich zog eine silberne Röhre aus der Tasche. „Das ist eine Hochfrequenzpfeife. Mouse kann sie auch aus mehreren Meilen Entfernung noch hören. Wenn wir in Schwierigkeiten geraten, pfeife ich, und er wird zu bellen beginnen. Er wird in die Richtung sehen, in der wir sind. Versuche, das Auto so nah wie möglich an uns heranzuschaffen.“
    „Ich werde Mouse dabei haben“, sagte Molly und sah um einiges beruhigter aus.
    Ich nickte. „Es ist fast immer besser, nicht allein zu arbeiten.“
    „Was, falls … falls ich etwas falsch mache?“
    Ich zuckte die Achseln. „Wenn schon. Das ist immer möglich. Aber der einzige Weg, niemals etwas Falsches zu tun …“
    „… ist, überhaupt nichts zu tun“, beendete sie meinen Satz.
    „Bingo.“ Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Sieh mal. Du bist klug genug. Ich habe dich alles gelehrt, was ich über den Weißen Hof weiß. Halt die Augen offen. Benutze deinen Kopf, dein Denkvermögen. Falls die Dinge den Bach runtergehen, ohne dass ich gepfiffen hätte, lauf weg. Wenn es nach zweiundzwanzig Uhr wird und du nichts von mir gehört hast, tust du das Gleiche. Fahr heim und erzähle es deinen Leuten.“
    „Geht klar“, flüsterte sie. Sie atmete tief ein und stieß den Atem zittrig aus. „Das ist unheimlich.“
    „Wir ziehen es trotzdem durch“, entgegnete ich.
    „Also sind wir mutig, nicht wahr?“
    „Wenn wir überleben schon“, gestand ich. „Wenn nicht, sind wir einfach nur dumm.“
    Ihre Augen weiteten sich kurz, bevor sie lauthals lachte.
    „Bereit?“, fragte ich.
    „Bereit.“
    „Gut.“
    Draußen knirscht der Schotter, als Ramirez mit dem Käfer zurückkam. „Gut, Lehrling“, rief ich. „Schnapp dir Mouse! Lass uns das durchziehen!“

35. Kapitel
    C hâteau Raith hatte sich seit meiner letzten Stippvisite kaum verändert. Das war das Feine, wenn man sich mit beinahe Unsterblichen herumschlagen musste. Die waren Veränderungen gegenüber meist alles andere als aufgeschlossen und vermieden sie, wo immer sie es konnten. Es war ein ordentliches Anwesen nördlich der Stadt, wo die Landschaft einen überraschenden Abwechslungsreichtum zu bieten hatte – flaches, fruchtbares Land, wo sich einst einmal Farmen befunden hatten, die heute meistens in schweineteure Immobilien umgewandelt waren. Dutzende kleiner Bäche und größerer Flüsse hatten die Hügel steiler ausgewaschen, als man es im Mittleren Westen erwartet hätte. Die Bäume da draußen, in einem der älteren Siedlungsgebiete der Vereinigten Staaten, konnten absolut riesig werden, und es hätte mich das Einkommen von fünf oder sechs Jahren gekostet, hier auch nur das kleinste

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