Harry Dresden 09: Weiße Nächte
gerne mitmachen.“
„Äh, klar. Wir können darüber sprechen.“
Ich genehmigte mir noch Kaffee. „Eventuell könnte auch Justine helfen. Möglicherweise bekommen wir sie ja so dort raus, wenn du willst.“
„Machst du Witze?“, fragte Thomas. „Sie arbeitet schon Jahre daran, näher an Lara heranzukommen.“
Ich blinzelte ihn entgeistert an. „Herrjemine, ich hatte mich schon gewundert, wie bizarr sie sich verhält. Sie ist vollkommen zugedröhnt rübergekommen, wie das perfekte Partygirl, doch sie hat diese Scharade ein paarmal fallen lassen, wenn nur ich es sehen konnte. Na ja. Ich habe es darauf geschoben, dass sie einfach verrückt ist.“
Thomas schüttelte den Kopf. „Sie besorgt mir Informationen. Bis jetzt aber nichts Großartiges.“
„Weiß Lara von ihr?“
Thomas schüttelte den Kopf. „Sie hat noch nicht Lunte gerochen. Was Lara anbelangt, ist Justine noch immer ein schutzloses, kleines Rehlein.“ Er sah auf. „Ich habe mit ihr gesprochen. Sie will bleiben. Meist fungiert sie als Laras persönliche Assistentin.“
Ich atmete langsam aus. Heilige Scheiße. Wenn Justine dort blieb und gewillt war zu berichten, was sie erfuhr … die Informationen könnten dem Krieg einen völlig anderen Verlauf geben. Das Friedensangebot des Weißen Hofes war nur eine leichte Verschiebung der Taktik und seines Fokus’. Die Vampire würden nicht locker lassen.
„Gefährlich“, sagte ich leise.
„Sie will es tun“, sagte er.
Ich schüttelte den Kopf. „Ich nehme an, du hast dich mit Lara in Verbindung gesetzt?“
„Natürlich“, lachte Thomas. „Wenn man meinen Heldenmut bei der Verteidigung des Weißen Königs bedenkt“, meinte er schelmisch, „ist es nicht verwunderlich, dass ich wieder in der Gunst des Hofes stehe. Der verlorene Sohn ist mit offenen Armen zu Hause empfangen worden.“
„Echt?“
„Na ja“, gestand Thomas, „mit zögerlichen, stinkwütenden Armen, zugegeben. Lara ist wegen der Tiefe etwas grämlich.“
„Ich schätze, die Bomben haben ihr nicht besonders gut getan.“
Thomas’ Zähne blitzten auf. „Die Höhle ist vollständig eingestürzt. Ein riesengroßes Loch in der Erde. Die Rohrleitungen im Chateau sind völlig im Eimer, und das Fundament ist angeschlagen. Es wird ein Vermögen kosten, es wieder in Stand zu setzen.“
„Arme Lara“, grummelte ich. „Keine praktische Entsorgungsmöglichkeit für Leichen mehr.“
Er lachte. „Es tut gut, sie mal völlig aus dem Häuschen zu erleben. Sonst ist sie immer so stolz.“
„Ich habe dafür eine Gabe.“
Er nickte. „Die hast du.“ Wir saßen noch ein paar Minuten still zusammen.
„Thomas“, sagte ich dann und wies auf den Raum. „Warum hast du mir davon nichts erzählt?“
Er zuckte die Achseln und sah auf seine Schuhe. „Am Anfang? Weil es so erniedrigend war. Ich meine … Nachtschichten, damit ich mir die Kosmetikerausbildung leisten kann? Meinen eigenen Betrieb zu eröffnen, und dann die Rolle …“ Er wies auf sich. „Ich dachte … ich weiß nicht. Zuerst dachte ich, es würde dir nicht passen … oder du würdest mich auslachen oder so.“
Ich blickte nach wie vor todernst aus der Wäsche. „Nein. Niemals.“
„Danach … nun ja. Hatte ich dir ja schon ein Geheimnis vorenthalten. Ich wollte nicht, dass du glaubst, ich würde dir nicht trauen.“
Ich schnaubte. „Mit anderen Worten, du hast mir nicht vertraut. Du hast mir nicht zugetraut, das zu verstehen.“
Er errötete und blickte zu Boden. „Äh. Schätze mal, ja. Tut mir leid.“
„Keine Sorge.“
Er schloss die Augen, nickte und sagte: „Danke.“
Ich legte ihm kurz die Hand auf die Schulter und zog sie dann wieder zurück. Alles Wesentliche war gesagt.
Thomas warf mir einen misstrauischen Blick zu. „Jetzt lachst du mich aus.“
„Wenn es dir lieber ist, warte ich, bis du dich umgedreht hast.“
Er grinste wieder. „Ist schon gut. Nachdem ich mich jetzt über Wochen gut genährt habe, ist mir das egal. Fühlt sich gut an, nicht mehr zu hungern. Lach, wenn du willst.“
Ich ließ meinen Blick eine Minute lang durch das Café schweifen. Die Kaffeemädels waren in ein Privatgespräch vertieft, in dem sie sich offensichtlich die Mäuler über uns zerrissen, wenn ich all die verstohlenen Blicke und das verhaltene Grinsen richtig deutete.
Ich konnte nicht anders. Ich brach in schallendes Gelächter aus, und es tat verdammt gut.
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