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Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Titel: Harry Dresden 09: Weiße Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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das ist fast dasselbe, als sich dazu zu entschließen zu sterben.“
    „Nein, ist es nicht“, sagte ich leise. „Sie hat nicht beschlossen zu sterben. Sie hat sich entschieden, frei zu sein.“
    „Vielleicht heißt es ja deshalb freier Wille“, sagte Bob. „He, sag mir, dass du zumindest auf dem Pony geritten bist, bevor der Wanderzirkus die Stadt verlassen hat. Ich meine, sie konnte dich doch alles sehen und fühlen lassen und …“
    Bob hielt inne, und seine Augenlichter blitzten auf. „He, Harry. Sag mal, weinst du?“
    „Nein!“, blaffte ich und verließ das Labor.
    Die Wohnung fühlte sich … leer an.
    Ich setzte mich mit meiner Gitarre hin und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Es war schwer. Ich fühlte alle möglichen Abstufungen von Wut, Verwirrung und Trauer. Ich versuchte, mir einzureden, das seien die seelischen Nachwirkungen von Malvoras psychischem Angriff. Aber es war eine Sache, sich das immer wieder einzubläuen und eine andere, einfach dazusitzen und sich mies zu fühlen.
    Ich begann zu spielen.
    Schön.
    Es war keine perfekte Darbietung – ein Computer konnte das. Es war kein furchtbar komplexes Musikstück. Meine Finger erlangten auch nicht jäh wieder ihre volle Beweglichkeit – doch diese Musik war mit Leben erfüllt. Meine Finger bewegten sich mit einer Sicherheit und Begeisterung, die ich für gewöhnlich nur für die Dauer einiger weniger Lieder verspürte. Ich spielte ein zweites Stück, dann ein drittes, und bei jedem lag ich genau im Rhythmus, und ich entdeckte, wie ich neue Nuancen, Variationen und Akkorde vor einem inneren Auge sah, die den einfachen Stücken zusätzliche Tiefe und Farbe verliehen – süße Traurigkeit in Mollakkorden, kräftige Passagen, Betonungen und Untermalungen. Ich hatte das schon immer in meinem Kopf gehabt, aber in meinem tatsächlichen Leben noch nie umsetzen können.
    Es war fast, als hätte jemand in meinem Kopf eine Tür geöffnet, als würde mir jemand weiterhelfen.
    Ich vernahm ein sehr, sehr weit entferntes Wispern, wie ein Echo von Lashs Stimme.
    „Was immer ich kann, mein Gastgeber.“
    Ich spielte noch eine Weile, bevor ich meine Gitarre vorsichtig abstellte, um Pater Forthill anzurufen und ihn zu bitten, vorbeizukommen, um den geschwärzten Denarius abzuholen, sobald ich ihn in meinem Keller ausgebuddelt hatte.
    Ich passte Thomas bei seiner Wohnung ab und beschattete ihn quer durch die Stadt. Er nahm die El Richtung Loop, bevor er sich wieder ins Getümmel auf dem Bürgersteig warf. Er sah angespannter und bleicher aus als üblich. Er hatte jede Menge Energie verpulvert, um Ghule umzulegen, und ich wusste, dass er gezwungen war, zu fressen – wahrscheinlich sogar auf äußerst gefährliche Weise – um das, was er verloren hatte, wieder aufzufüllen.
    Ich hatte ihn am Tag nach der Schlacht angerufen und versucht, mit ihm zu reden, doch er hatte sich wortkarg und abweisend gegeben. Ich hatte gesagt, ich mache mir Sorgen, weil er derartig viel Energie in den Äther geschossen hatte. Er hatte aufgelegt. Seitdem hatte er auch zwei weitere Telefonate einfach abgebrochen.
    Da ich nun aber so ein schlauer, rücksichtsvoller Kerl war, der die Gefühle seines Bruders respektierte, beschattete ich ihn nun, um herauszufinden, was zur Hölle er mir so verzweifelt vorenthalten wollte. So ersparte ich ihm die Mühe und den kolossalen Aufwand, es mir zu erzählen, indem ich es selbst herausfand. Wie schon gesagt, ich war rücksichtsvoll, nachdenklich und vielleicht ein klein bisschen stur.
    Thomas war nicht vorsichtig. Eigentlich hatte ich erwartet, er werde durch die Stadt flitzen wie eine langschwänzige Katze auf einer Schaukelstuhlmesse, doch er bummelte einfach vor sich hin. Er war modisch in dunkle, weite Hosen und ein dunkelrotes Hemd gekleidet, hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt, und sein Haar fiel ihm immer wieder ins Gesicht.
    Dennoch zog er so manchen weiblichen Blick auf sich. Er sah aus wie ein wandelnder, sprechender Werbespot für eine Parfummarke, mit dem einzigen Unterschied, dass sich Frauen auch dann nach ihm umdrehten und unsicher ihre Frisur richteten, wenn er still dastand und die Klappe hielt.
    Schließlich stapfte er in den Park Tower und betrat eine trendige kleine Boutique-Bindestrich-Café, die sich selbst Coiffeur Café nannte. Ich warf einen Blick auf die Uhr und überlegte kurz, ob ich ihm folgen sollte. Ich konnte drinnen einige Leute ausmachen, wo sich hinter den Schaufenstern ein kleines Café befand.

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