Harry Dresden 09: Weiße Nächte
dazu gekommen war, mir eine Dusche und eine Rasur zu gönnen und in frische Kleidung zu springen, fühlte ich mich halbwegs wieder wie ein Mensch. Auch wenn ich noch immer brutale Kopfschmerzen hatte. Kurz darauf traf Murphy ein.
„Was zum Geier ist denn mit dir passiert?“, fragte sie mich statt eines Grußes.
„Kutte hat mir eine mentale Kopfnuss verpasst“, erläuterte ich.
Murphy begrüßte Mouse, indem sie ihn mit beiden Händen unterm Kinn kraulte. „Wer ist Kutte?“
Ich grunzte. „Schon klar. Hatte vergessen, dass du mit deinem Lustknaben Kincaid auf Hawaii warst, als ich mit Kutte Bekanntschaft geschlossen habe.“
Murphy bedachte mich mit einem verschmitzten Grinsen. „Kincaid ist kein Lustknabe. Er ist ein Lustkerl. Definitiv.“
Molly, die die Füße an die Wand gestützt hatte, während sie auf dem Boden liegend las, entglitt ihr Buch und plumpste auf ihr Gesicht. Tollpatschig hob sie es auf und gab sich alle Mühe, Desinteresse an unserem Gespräch zu heucheln. Es wäre höchstwahrscheinlich überzeugender gewesen, hätte sie das Buch nicht kopfüber gehalten.
„Lange Rede, kurzer Sinn“, sagte ich zu Murphy, „Kutte ist ein Magier.“
„Mensch?“, fragte sie.
„Ziemlich sicher, auch wenn ich noch keine Gelegenheit hatte, sein Gesicht zu sehen. Das einzige, was ich weiß, ist, dass er stärker und besser ist als ich. Ich habe einen fairen Kampf gegen ihn hinter mir und habe nur mit Glück überlebt.“
Murphy runzelte die Stirn. „Wie hast du ihn besiegt?“
„Oh, ich habe einfach aufgehört, fair zu kämpfen, und ihn etwas angerempelt, als er gerade mit hochexplosiver Magie hantierte. Bumm. Ich hielt ihn eigentlich für tot.“
Murphy setzte sich auf einen meiner bequemen Stühle, und eine Denkfalte bildete sich auf ihrer Stirn. „Gut. Am besten, du bringst mich auf Stand und erzählst mir alles.“
Ich rieb mir meinen schmerzenden Kopf, begann mit dem Zeitpunkt, an dem ich Murphy gestern verlasse hatte, und endete mit meiner Auseinandersetzung mit Kutte. Ich ließ einige Einzelheiten Elaine betreffend unter den Tisch fallen und erwähnte auch den Zirkel mit keinem Sterbenswörtchen. Diese Information war einfach zu gefährlich, als dass ich mit ihr hausieren gehen wollte. Hölle, manchmal wünschte ich mir, selbst keine Ahnung zu haben.
„Skavis“, sinnierte Murphy laut. „Das habe ich schon mal irgendwo gehört.“
„Es ist eines der größeren Häuser des Weißen Hofes“, sagte ich nickend. „Raith, Skavis und Malvora sind die großen Drei.“
„Klar“, sagte Murphy. „Psychische Vampire. Die Raiths nähren sich von Leidenschaft. Die Malvoras von Furcht. Wie sieht es bei diesen Skavis aus?“
„Schmerz“, erwiderte ich. „Oder Trauer. Kommt darauf an, wie man die Texte übersetzt, die der Rat über sie besitzt.“
„Selbstmord“, führte Murphy meinen Gedanken fort, „ist der endgültigste Ausdruck von Verzweiflung.“
„Mit so einem scharfsinnigen Geist“, warf ich ein, „könntest du glatt bei der Polizei arbeiten!“
Wir schwiegen für eine Minute, ehe Murphy anhob: „Sag mir, ob ich das richtig verstanden habe. Dieser Skavis ist in Chicago. Wenn man deiner Ex glaubt, der Schnüfflerin, die Anna Ash engagiert hat, hat er bereits in vier anderen Städten Frauen auf dem Gewissen und zieht dasselbe hier ab – bis jetzt vier, und Anna hätte eigentlich Nummer fünf sein sollen.“
„Ja“, sagte ich.
„Inzwischen ist auch Graumantel, der für Kutte arbeitet, in Chicago eingetrudelt und tut mehr oder weniger dasselbe. Aber du meinst, er sei nicht hier, um Skavis zu helfen, wer auch immer das sein mag. Du glaubst, er arbeitet zusammen mit dem Beifahrer, wer auch immer das sein mag, gegen den Mörder. Du vermutest, diese beiden hätten die Hinweise bei den Leichen hinterlassen, um dich in die Nachforschungen hineinzuziehen, um den Skavis auszuräuchern.“
„Noch besser“, sagte ich. „Ich glaube, ich weiß, wer der Beifahrer war.“
„Wer?“, fragte Murphy.
„Beckitt“, sagte ich. „Das ergibt Sinn. Er hat seine Ehefrau als Informationsquelle eingeschleust. Er hat sich schon mal mit mir angelegt und es überlebt, und ich habe ihn kostbare Jahre seines Lebens und seine lukrativen Anteile an einem Verbrechersyndikat gekostet. Er hat mehr als genug Gründe, mich nicht zu mögen. Er ist also derjenige, mit dem Graumantel der Malvora gesprochen hat.“
„Langsam. Graumantel der Malvora? Wie kommst du darauf?“
„Weil“, sagte ich,
Weitere Kostenlose Bücher