Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)
wenig.“
Ich zog die Schlinge ein wenig fester zu.
Nikodemus hätte geschrien, wenn er gekonnt hätte. Er schlug hilflos um sich und griff nach seinem Schwert. Ich trat es aus seiner Reichweite. Seine Hand fuhr nach oben und kratzte nach meinen Augen, doch ich zog den Kopf ein und ließ nicht los. Seine Bewegungen waren eher angsterfüllt als zielgerichtet. Sein Schatten brandete in einer Woge aus Finsternis und Zorn empor – doch als er herabfuhr, um mich einzuhüllen, erstrahlte ein weißes Licht aus einem kleinen Spalt zwischen Scheide und Schwertgriff Fidelacchius’ auf meinem Rücken, und der Schatten stieß einen zischenden, ledrigen Schrei aus und wich vor dem Gleißen zurück.
Ich war kein Ritter, doch das Schwert tat für mich, was es seit ewiger Zeit auch für die Ritter vollbrachte – es stellte Chancengleichheit her, indem es sämtliche übernatürlichen Kräfte unterband, und einen Kampf von Geist gegen Geist, Willen gegen Willen, Mann gegen Mann sicherstellte. Nikodemus und ich kämpften um das Schwert – und unser Leben.
Er trat ungestüm gegen mein verletztes Bein, und trotz aller Barrieren in meinem Geist, die mir Lasciel beigebracht hatte, konnte ich es spüren. Ich hatte seinen Hals in einem hervorragenden Griff, also revanchierte ich mich, indem ich ihm meine Stirn in die Nase rammte. Diese brach mit einem über alle Maßen zufriedenstellenden Knirschen. Er hämmerte Schläge in meinen Rippenbogen, und Hölle, er wusste, wo es richtig wehtat.
Zu seinem Leidwesen wusste ich nur zu genau, wie man mit Schmerzen umging. Ich war besser darin als die meisten anderen. Es würde jede Menge mehr Schmerzen benötigen, als dieser Versager rechtzeitig austeilen konnte, mich zu Boden zu ringen, und das wusste ich auch. Ich wusste es. Ich umklammerte das uralte Seil fester und zog es weiter zu.
Ich fing weitere Schläge mit meinem Körper ab, während sein Kopf rot anzulaufen begann. Er erwischte mein Knie mit einem fiesen Tritt, als Rot langsam in Blau überging, und ich brüllte vor Schmerz, als Blaurot schließlich mattem Schwarz wich. Er brach zusammen. Die Anspannung in seinem Körper lockerte sich, und seine Gliedmaßen wurden vollkommen schlaff.
Eine Menge Leute ließen von ihrem Gegner ab, wenn er das Bewusstsein verlor. Aber das Ganze konnte nur gespielt sein.
Selbst wenn dem nicht so war, hatte ich nicht im Mindesten vor loszulassen.
Ich war keinRitter.
Tatsächlich riss ich noch fester an dem Strick.
Ich war nicht sicher, wie lange ich ihn zu Boden gedrückt hatte. Vielleicht eineinhalb Minuten. Dann bemerkte ich das Aufblitzen eines wütenden, grünen Lichts und sah, wie Deirdre auf drei ihrer Gliedmaßen und ihrem Haar den Hügel herabgeklettert kam. Ein Bein war mit dicken Verbänden umwickelt. Sie hatte zwanzig bis dreißig zungenlose Soldaten im Schlepptau, und ihre Augen loderten vor kaum verhohlenem Zorn wie ein Paar Scheinwerfer. Ihr Blick konzentrierte sich kurz auf mich, dann zischte sie wie eine stinkwütende Gossenkatze und fauchte: „Vater!“
Kacke!
Ich packte Nikodemus am Hemd und hievte ihn über Bord in das dunkle Wasser des Sees. Er ging mit einem leisen Platschen unter und war wegen seiner dunklen Kleidung fast augenblicklich nicht mehr sichtbar, nachdem er die Wasseroberfläche durchschlagen hatte.
Verzweifelt suchte ich den Boden des Boots ab. Da! Der Schlüssel. Ich angelte ihn mir und hämmerte ihn ins Zündschloss.
„Nicht schießen!“, schrie Deirdre. „Ihr könntet Vater treffen!“ Sie stieß sich in die Luft ab, und all das sich windende Haar formte sich zu einer haiähnlichen Rückenflosse, als sie mit einem schwachen Platschen in die Fluten tauchte.
Ich drehte den Schlüssel. Der Motor des alten Bootes verschluckte sich und keuchte.
„Komm schon“, betete ich. „Komm schon!“
Falls ich dieses verfluchte Boot nicht in Fahrt brachte, ehe Deirdre ihren Papi gefunden hatte, war alles vorbei. Sie würde ihrer Truppe befehlen, das Feuer zu eröffnen. Dann wäre ich gezwungen, einen Schild hochzureißen, um die Kugeln abzuwehren, und wenn ich das tat, würde der ohnehin äußerst unzuverlässige Motor höchstwahrscheinlich ganz den Geist aufgeben. Dann säße ich hier fest, und es wäre nur noch eine Frage der Zeit, bis mich eine sanft geschüttelte Mischung aus Erschöpfung, stärker werdenden Schmerzen, Übermacht von Angreifern und rachsüchtiger Tochter erledigen würde.
Deirdre tauchte auf, sah sich um, um sich zu orientieren, und tauchte
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