Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)
schweifen, der vor ein paar Stunden noch so viel Fröhlichkeit gesehen hatte. „Lieber nicht“, gab ich zu.
Michael fuhr leise fort: „Für gewöhnlich sind die Familien der Schwertträger gegen solche Übel beschützt. Aber so etwas ist schon vorgekommen, und Nikodemus trägt seine Münze jetzt schon seit ungefähr zwanzig Jahrhunderten. Es bereitet ihm nicht die geringsten Schwierigkeiten, zehn, fünfzehn Jahre zu warten, um seine Ziele zu erreichen.“
„Deswegen glaubst du auch, dass er im Augenblick hier ist“, schlussfolgerte ich. „Weil es nicht Tessas Stil ist, sich jemanden wie Marcone zu krallen.“
„Ist es auch nicht“, stimmte Michael zu. „Aber ich glaube, wenn sie durch ihre Unterstützung eine Umgebung voller Chaos und Verzweiflung schaffen könnte, wie sie sie liebt, wäre das Grund genug für sie, sich mit ihrem Gatten zu verbünden.“
„Wie viele?“
„Tessa hat eine Gruppe von fünf Gefallenen um sich versammelt.“ Er warf mir ein rasches Lächeln zu. „Tut mir leid. Jetzt noch vier.“
„Bedank dich bei Thomas“, sagte ich. „Nicht bei mir.“
„Das habe ich vor“, antwortete Michael. „Nikodemus …“ Michael schüttelte den Kopf. „Ich glaube, du hast schon gehört, dass Nikodemus es sich zu seiner ganz persönlichen Aufgabe gemacht hat, sämtliche Aufzeichnungen der Kirche, die ihn betreffen, zu vernichten. Das wird in der Zukunft nicht mehr so leicht sein …“
„Ein Hoch auf das Informationszeitalter!“, warf ich ein.
„… doch unsere bisherigen Unterlagen sind mehr als lückenhaft. Wir waren bisher immer der Meinung, er hätte drei regelmäßige Gefährten, aber dann hat er Lasciels Münze hervorgezogen, die sich eigentlich in sicherer Verwahrung in einem Kloster in Chile befinden sollte. Ich glaube, es wäre zum gegenwärtigen Zeitpunkt gefährlich, Mutmaßungen anzustellen.“
„Was wäre der schlimmste Fall?“, fragte ich. „Wie viele Münzen könnte er haben?“
Michael zuckte die Achseln. „Möglicherweise sechs. Aber das ist geraten.“
Ich starrte ihn an. „Du willst mir doch nicht etwa sagen, er könnte ein gutes Duzend wandelnder Alpträume in seinem Gefolge haben?“
Er nickte.
„Das letzte Mal, als sie hier abgefeiert haben, waren alle drei Schwerter vor Ort und nur vierDenarier, und wir haben das nur mit Mühe und Not überlebt.“
„Ich weiß.“
„Aber daran seid ihr gewöhnt, richtig?“, fragte ich ihn. „Die Ritter nehmen es dauernd mit einer Überzahl wie dieser auf.“
Er warf mir einen entschuldigenden Blick zu. „Wenn es möglich ist, ist es uns lieber, wenn wir zumindest zwei zu eins in der Überzahl sind. Drei zu eins, wenn es geht.“
„Aber Shiro meinte doch, er hätte schon mehrere Duelle gegen sie ausgefochten“, warf ich ein. „Mann gegen Mann.“
„Shiro hatte eine Gabe“, sagte Michael. „So einfach war das. Shiro beherrschte den Schwertkampf wie Mozart die Musik. Ich bin nicht wie er. Ich habe keine Angst davor, mich einem Denarier allein zu stellen, aber selbst dann hielte ich den Kampf nicht für ausgeglichen. Mein Schicksal läge in Gottes Hand.“
„Super“, seufzte ich.
„Glaube, Harry“, sagte Michael. „Er wird uns nicht im Stich lassen. Dem Guten wird sich immer ein Weg bieten zu siegen.“
„Das Gute hat auch das letzte Mal gewonnen“, sagte ich leise. „Mehr oder weniger. Aber das hat sie nicht davon abgehalten, Shiro zu töten.“
„Unser Leben gehört dem Allmächtigen“, sagte Michael gelassen. „Wir dienen und leben zum Wohle anderer. Nicht zu unserem eigenen.“
„Klar doch“, sagte ich. „Ich bin sicher, dass das ein prima Trost für deine Kinder sein wird, wenn sie ohne Vater aufwachsen müssen.“
Michael drehte sich abrupt zu mir um, und seine Fäuste ballten sich. „Schweig“, warnte er mich mit harter Stimme. „Sofort.“
So wahr mir Gott helfe, ich hätte ihm beinahe aus purer Frustration selbst eine verpasst. Doch dann packte mich der gesunde Menschenverstand am Schlafittchen und rückte mir den Kopf zurecht. Ich stapfte einige Schritte von ihm weg durch den Schnee und wandte ihm den Rücken zu.
Der gesunde Menschenverstand lud das Schamgefühl auf Kaffee und Kuchen zu sich ein. Verdammt. Ich sollte mich eigentlich wie ein Magier verhalten. Verbunden mit meinem inneren Licht, Meister eines abgeklärten Geistes und der ganze Scheiß. Stattdessen kränkte ich den Mann, der es am wenigsten verdient hatte, weil …
Weil ich Angst hatte. Wirklich, wirklich
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