Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)
Straße, als er vor Schmerz das Bewusstsein verlor.
Die Sirenen wurden lauter, und ich kämpfte mich ebenfalls wieder auf die Beine. Bart lag auf dem Boden, wiegte sich vor und zurück und kreischte wie verrückt. Der fehlgegangene Schuss aus der Schrotflinte hatte ihn mitten am Gesäß erwischt. Es war jede Menge Blut auf seiner Hose, aber es machte nicht den Anschein, als wäre eine Hauptschlagader getroffen worden. Zugegeben, je nachdem, wie schlimm es ihn wirklich erwischt hatte, war es möglich, dass er für immer ein Krüppel blieb oder im schlimmsten Fall innerlich verblutete. Aber es gab Körperstellen, wo ein Treffer sich noch ungünstiger auswirkte, und bei all dem Adrenalin, das durch meinen Körper strömte, empfand ich die Situation doch als ganz schön witzig.
Ich lachte schallend, rief Mouse und rannte zum Wagen hinüber. Molly hatte Murphy schon auf dem Beifahrersitz angeschnallt. Ich musste über sie hinweg klettern, um auf den Fahrersitz zu gelangen. Sie stieß einen gotteslästerlichen Fluch aus, als ich aus Versehen gegen ihren Arm stieß. Der Fahrersitz berührte förmlich das Lenkrad, und kurz machte ich mir ernsthaft Sorgen, dass ich die Pedale mit der einen und das Lenkrad mit der anderen Hand würde betätigen müssen, doch schließlich schaffte ich es, den Hebel zu finden, der den Sitz zurückfahren ließ, und das Auto sprang auch gleich beim ersten Versuch an.
„Verdammt, Dresden“, ächzte Murphy. „Da waren Waffen im Spiel. Wir müssen zurück.“
Mouse flog durch die offene Tür auf die Rückbank, und Molly schloss beide Türen auf dieser Seite des Wagens. Ich rüttelte am Steuerrad und befreite den Saturn aus dem Schneehaufen, ehe ich die Straße hinabbrauste. Immer noch war ein völlig irrationales Grinsen auf meine Züge gekleistert. Meine Wangen schmerzten. „Keine Chance, Murphy.“
„Wir können sie nicht einfach laufen lassen.“
Ich unterdrückte einen weiteren adrenalinbedingten Lachanfall. „Die gehen nirgends hin, und wenn du dich recht erinnerst, bin ich eine Persona non grata. Willst du wirklich mit mir im Schlepptau am Ort einer Schießerei aufgegriffen werden?“
„Aber …“
„Verdammt noch mal, Murphy“, fauchte ich erschöpft. „Willst du, dass ich ins Gefängnis wandere? Wenn wir jetzt zurückfahren, erzählt ihnen Torellis Schläger, dass ich ihn angeschossen habe. Sie nehmen mir die Pistole ab, und wenn sie die Kugel finden, wenn sie nicht ohnedies noch in ihm steckt, gilt das als tätlicher Angriff mit einer tödlichen Waffe.“
„Nicht in Notwehr“, knirschte Murphy.
„In einer fairen Welt möglicherweise nicht“, sagte ich. „So, wie es aber jetzt steht, finden die Bullen da hinten nur zwei Mafiaschläger mit eindeutigen Verbindungen, die beide verletzt sind. Die Bullen werden annehmen, dass sie in Streit geraten sind und sich gegenseitig angeschossen haben. Zwei böse Jungs wandern hinter Gitter, du behältst deinen Arbeitsplatz, und ich werde nicht von diesem Fall abgezogen – was gleichbedeutend mit meinem Tod wäre.“ Ich schaute zu ihr hinüber. „Wer verliert?“
Für einen Moment schwieg Murphy. Dann meinte sie: „Alle, Harry. Das Gesetz ist dazu da, jeden zu schützen. Es sollte für alle gleich gelten.“
Ich seufzte und wandte meine Aufmerksamkeit wieder der Straße zu. Ich würde noch einige Minuten weiterfahren, bis sicher war, dass die Luft rein war, um dann einen Bogen zu Michaels Haus zu schlagen. „Das ist Wunschdenken, und das weißt du auch. Ich bin sicher, Marcones Anwälte lieben deine Einstellung.“
„Das Gesetz ist nicht perfekt“, erwiderte sie leise. „Aber das heißt noch lange nicht, dass wir nicht unser Bestes geben sollten, damit es endlich funktioniert.“
„Tu mir einen Gefallen“, forderte ich sie auf.
„Was?“
„Halt dir die Nase zu und sag mit Philadelphia-Akzent: ‚Ich bin das Gesetz’.“
Murphy schnaubte und schüttelte den Kopf. Ich sah sie von der Seite an. Ihr Gesicht war vor Schmerzen ganz blass, und ihre Augen waren leicht glasig. Um ihren linken Arm war etwas gebunden, das wie ein abgerissener Streifen von Mollys T-Shirt aussah.
Ich sah in den Rückspiegel, und tatsächlich trug mein Lehrling trotz der Kälte nichts als einen grünen Spitzen-BH unter ihrem Wintermantel. Sie hatte beide Arme um Mouse geschlungen und ihr Gesicht in seiner schneeverkrusteten Mähne vergraben.
„He, dort hinten“, sagte ich. „Jemand verletzt?“
Mouse gähnte, doch Molly nahm ihn dennoch
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