Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
Ihren Hals zierte ein enger Reif aus edlem Platin, der sich selbst im verblassenden Licht den eigenen Glanz bewahren zu wollen schien, daran ein einzelner, blutroter Rubin.
So kam sie daher, jeder Schritt eine Hommage an ihre Weiblichkeit, an die betörend femininen Rundungen, die niemand zu übersehen vermochte, jeder Schwung der hinreißenden Hüften eine laszive Erinnerung an die Tatsache, dass diese umwerfende Erscheinung tödliche Waffen bei sich trug. Der Regen sorgte dafür, dass man auch alles mögliche andere nicht übersah – außer Waffen, Schmuck, Schuhen und Kleid hatte die Vampirin nichts am Leibe.
Mir wollte die Zunge bis unters Kinn hängen – nur mit Mühe konnte ich mich zusammenreißen und den Blick von ihr abwenden.
Laras Schwestern hatten sich ganz anders ausstaffiert. Auch sie waren in Weiß, aber in Form von Motorrad-Lederkleidung, und zwar nicht im Stil des gewöhnlichen amerikanischen Bikers. Nein, die beiden Vampirinnen kamen wie professionelle Rennfahrerinnen daher, ihre Lederkluft wirkte ultramodern und war offensichtlich gepanzert, wie bei Rennfahrern eben auch. Nur, dass die Standardausrüstung für Rennfahrer mit Plastik arbeitete, was den Fahrer bei einem Sturz oder einer Kollision vor dem Schlimmsten bewahren sollte. Ich wäre jede Wette eingegangen, dass die Raiths ihre Kleidung mit etwas sehr viel Schwererem hochgerüstet hatten. Auch die Schwestern trugen ihre Waffen an der Hüfte, wie bei Lara je eine aktuelle und eine aus der Vergangenheit. Beide hatten ihr Haar aus dem Gesicht gebunden und waren ebenso blass wie ihre Schwester, die Augen groß und grau, die Lippen dunkel und einladend.
Ich sah die drei Raith-Schwestern näherkommen und dachte eigentlich nur noch eins: Wenn es in der Welt irgendeine Gerechtigkeit gäbe, dann dürfte ich mir das jetzt im Zeitlupentempo reinziehen.
Ach ja ...
Aus dem Augenwinkel heraus sah ich die ehrwürdige Mai die Hand heben und Wächter Berserkergang bedeuten, er möge sich entfernen. Natürlich – die ehrwürdige Mai hatte eine klare Vorstellung von Anstand und Schicklichkeit und war sehr dafür, sich immer richtig zu benehmen. Sie duldete es nicht, wenn Ratsmitglieder sich so ablenken ließen, dass es für Außenstehende nicht zu übersehen war.
Lara blieb etwa fünf Meter vor uns stehen, ihre Schwestern ein wenig hinter ihr. Die Blicke der drei Vampirinnen richteten sich auf die Wächter – die quittierten die Ehre mit ruhiger, wachsamer Aufmerksamkeit.
„Harry“, begrüßte mich Lara mit warmer Stimme, als wären wir einander gerade per Zufall auf einer Abendgesellschaft über den Weg gelaufen. „Sie böser, böser Mann! Sie haben mir glatt verschwiegen, dass ich Sie heute Abend mit anderen teilen muss.“
„Was soll ich dazu sagen?“ Ich grinste ihr zu und senkte zum Gruß den Kopf, ohne den Blick von ihr zu wenden. Ich durfte sie genauso wenig aus den Augen lassen wie zuvor die Wächter, denn mochte ihr Anblick auch ungleich angenehmer sein, Misstrauen blieb trotzdem angesagt. „Einst war ich ein sanfter, vertrauensseliger Mensch, aber die Umstände, die Umstände ... da wird man eben zynisch und übervorsichtig.“
Lara ließ ihren Blick nachdenklich zwischen mir und den Wächtern hin- und herwandern, ehe sie Letzteren ein Lächeln zukommen ließ, das Steinplatten hätte auflösen können. Dann kam sie in lockerem Schlendergang, der trotzdem anmutige Weiblichkeit pur ausstrahlte, auf mich zu und streckte mir beide Hände hin.
Ich erwiderte ihr Lächeln, allerdings um einiges steifer und künstlicher. „Das soll doch wohl ein Witz sein!“, flüsterte ich ihr mit zusammengebissenen Zähnen zu.
Lara senkte sittsam den Blick, schraubte das Tausend-Watt-Lächeln zu einem süffisanten Grinsen herunter und hauchte: „Seien Sie nett zu mir, Magier, dann bin ich auch nett zu Ihnen.“
Lange zögerte ich nicht, ehe ich ihr ebenfalls die Hände hinstreckte. Laras Finger waren glatt wie Seide und eisig. Sie lächelte fröhlich und neigte den Kopf, eine langsame, anmutige, formelle Geste.
Dann, schneller als ich blinzeln, geschweige denn reagieren konnte, versetzte sie mir einen Schlag ins Gesicht.
Gut, sie schlug mit der offenen Hand, nicht mit der Faust, sonst hätte ich wohl nicht überlebt. Aber auch so traf mich der Schlag wie ein Knüppel. Ich wankte und wich, mich wie ein betrunkener Korkenzieher immer wieder um die eigene Achse drehend, ein paar Schritte zurück, um als hilfloser Tölpel fünf Meter von meinem
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