Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
fest mit dem Auftauchen des Killers, dem meiner Einschätzung nach nichts anderes mehr übrig blieb, als die ganze Sache auf die nächste Ebene zu hieven. Bis dahin galt es, Lara und den Rat irgendwie hinzuhalten.
Was momentan am einfachsten ging, wenn ich den Mund hielt und das Reden anderen überließ.
„Wir sollten wohl erst einmal unseren jeweiligen Kenntnisstand abgleichen“, sagte Lara zur ehrwürdigen Mai. „Wäre es Ihnen lieb, wenn ich anfinge?“
Mai neigte nach kurzem Nachdenken in schweigendem Einverständnis den Kopf.
Lara hielt sich nicht lange mit Vorreden auf. „Mein Bruder, Thomas Raith, befindet sich in der Gefangenschaft eines Skinwalkers, eines uralten Naagloshiis. Der Skinwalker hat einen Handel angeboten: mein Bruder gegen Wächter Donald Morgan.“
Mai neigte den Kopf zur Seite. „Was hat Dresden mit dieser Sache zu tun?“
„Angeblich versucht er, in einer nur den Rat betreffenden Angelegenheit die Unschuld Wächter Morgans zu beweisen. Ich hatte Thomas angewiesen, Dresden von Zeit zu Zeit bei einfachen Problemen mit geringem Risiko unter die Arme zu greifen – als Geste des guten Willens meinerseits dem Rat gegenüber und um den Frieden in Chicago dauerhaft zu stabilisieren.“ Sie warf mir einen verdrießlichen Blick zu. „Dresden hat dieses liebenswürdige Angebot wiederholt missbraucht. Als er Thomas diesmal in irgendeine Ermittlung verwickelte, wurde mein Bruder aus einem Hinterhalt heraus von einem Skinwalker überfallen.“
„Das ist alles?“, erkundigte sich Mai.
Lara funkelte mich erneut zornig an, nach außen hin kaum in der Lage, ihre Wut zu zügeln. „Er behauptet überdies, hinter dem Dilemma, in dem Morgan sich befindet, stecke noch eine dritte Partei, die angeblich versucht, den Hof gegen den Rat aufzubringen. Als ich eigene Ermittlungen anstellte, erwies sich diese Behauptung zu meiner großen Verwunderung nicht sofort als plumpe Lüge. Anscheinend kann es sein, dass jemand einen meiner Finanzverwalter irgendwie gezwungen hat, erhebliche Geldbeträge zu veruntreuen. Dresden behauptet nun, dieses Geld sei auf ein bestimmtes Konto geflossen, das man Wächter Morgan zuschreibt.“
Mai nickte. „Ja und? Verhielt es sich so?“
Lara zuckte höchst elegant die Achseln. „Möglich. Meine Leute suchen weiterhin nach Beweisen, die uns den genauen Sachverhalt vermitteln.“
Mai nickte. Sie verharrte einige Sekunden lang schweigend, ehe sie sagte: „Gleichgültig, wie gekonnt Sie um den heißen Brei herumreden: Sie wissen doch genau, warum wir hier sind.“
Lara lächelte kaum merklich.
„Die Geschichte, die Dresden uns auftischt, lässt eins vermissen: die Glaubwürdigkeit, die aus Einfachheit entsteht“, fuhr Mai fort. „Sie haben eben wirklich äußerst geschickt jedes deutliche Wort vermieden, aber eins ist mir schon klar geworden: Sie sähen es lieber, wenn wir den Weißen Hof nicht mit der Ermordung LaFortiers in Verbindung brächten. Auch Ihrer Geschichte mangelt es an Glaubwürdigkeit, wie sie durch Einfachheit entsteht.“
„Meiner Erfahrung nach sind Staatsangelegenheiten selten einfacher Natur.“
Mai bewegte kaum merklich die Hand, was Zustimmung bedeuten mochte. „Jedoch legt die jüngste Geschichte die Vermutung nahe, dass an der Ermordung LaFortiers eher ein uns wohlbekannter Feind die Schuld trägt und nicht eine namenlose, dritte Partei.“
„Natürlich, das müssen Sie so sehen, Sie sind ja Magier“, sagte Lara ohne erkennbare Ironie. „Sie sind die Wahrer großer Geheimnisse. Wenn eine solche dritte Partei, wenn eine solche Gruppe existierte, dann wüssten Sie das, nicht wahr?“
„Es ist möglich, dass ich Ihre Leute zu Unrecht verdächtige, die Verantwortung für LaFortiers Ermordung zu tragen“, erwiderte Mai gelassen. „Sie sind schließlich Vampire, allseits bekannt für Ihre Aufrichtigkeit und Ihr sanftmütiges Wesen.“
Lara senkte mit leisem Lächeln den Kopf. „Trotzdem finden wir uns hier wieder.“
„Das lässt sich wohl kaum bestreiten.“
„Ich suche nach einer sicheren Rückkehrmöglichkeit für meinen Bruder.“
Mai schüttelte fest und entschieden den Kopf. „Der Rat wird einen der Seinen, der Unseren, nicht austauschen.“
„Mir will aber scheinen, dass sich Wächter Morgan gar nicht bei Ihnen befindet“, sagte Lara sanft.
„Eine vorübergehende Situation.“ Die ehrwürdige Mai sah mich nicht an, ich war mir aber trotzdem sicher, dass der scharfe Stahl in ihrer Stimme direkt gegen mich gerichtet
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