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Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)

Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)

Titel: Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher , Oliver Graute
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Perfektion war gefragt.
    Ich suchte mir nervös mit der Zunge meine Lippen leckend die richtige Position. Reine, rohe kinetische Energie war viel schwerer zu handhaben als die meiste andere Magie, bezog diese reine Kraft ihre Energie beim Herbeirufen doch ausschließlich aus dem Willen und dem Hirn des Magiers. Das war beim Einsatz von Feuer oder Blitzen anders. Feuer verhielt sich, wenn man es einmal beschworen hatte, auch wie Feuer, es sei denn, man sorgte dafür, dass dem nicht so war. Blitze verhielten sich wie Blitze. Aber der reine Wille hatte in der natürlichen Ordnung der Dinge keinen Bezugspunkt, man musste also sehr genau arbeiten, sehr exakt bestimmen, was man sich vorstellte. Das Bild dessen, was er rufen wollte, musste im Geist des Magiers sehr lebendig und intensiv zu sehen sein.
    Schon allein deshalb benutzte ich üblicherweise meinen Stab oder einen anderen magischen Gegenstand, wenn ich mit Kraft arbeitete: Sie halfen mir, meinen Willen zu fokussieren. Aber mein Stab lag mehrere Wegminuten entfernt im Wald, und meine kinetischen Energieringe hätten den Job von ihrer Leistungsstärke her zwar mühelos erledigen können, kamen leider jedoch nicht in Frage. Sie waren im Grunde dazu da, Lanzen aus destruktiver Energie auszusenden, anzugreifen, direkt zu verletzen. Ich hatte die Magie, die die Ringe erfüllte, nicht so ausgelegt, dass sie sich sozusagen im Einsatz modifizieren ließ. Anders gesagt: Wenn ich mit den Ringen arbeitete, konnte ich den Schlag, den sie austeilten, nicht abschwächen. Es konnte sein, dass die Ringe Thomas umbrachten, wenn ich sie benutzte.
    „Zauberer“, knurrte der Naagloshii. „Ich habe diese Sache langsam satt. Ich bin hier, um den Austausch von Gefangenen vorzunehmen. Zwing mich nicht, mir einfach zu holen, was ich will.“
    Nur noch ein paar Schritte, dann würde er genau dort sein, wo ich ihn haben wollte.
    Mir zitterten die Knie, die Hände nicht minder.
    Meine Hände! Einen Moment lang starrte ich sie bestürzt an. Ich war ja völlig verängstigt! Mein Bild des Skinwalkers hämmerte an die Türen zu meinen Gedanken, richtete Verheerendes mit meiner Konzentration an. Ich musste an den Schrecken denken, den dieses Monster überall verbreitete, die Leben, die er auf dem Gewissen hatte, wie einfach er es fertiggebrachte hatte, allen Bedrohungen, die sich ihm in seiner langen Existenz in den Weg gestellt hatten, entweder aus dem Weg zu gehen oder sie zu überwinden. Wie unbesiegbar er zu sein schien.
    Der Zauber, den ich vorhatte, musste korrekt, musste makellos ausgeführt werden, sonst war Thomas‘ Leben verwirkt. Was, wenn der Skinwalker so gut war, dass er den Zauber kommen spürte? Was, wenn ich das Maß der benötigten Kraft falsch berechnete? Was, wenn ich nicht traf? Ich hatte ja noch nicht einmal ein Werkzeug, das mich beim Fokussieren der Kraft unterstützen konnte – und meine Kontrolle tendierte auch unter den besten Umständen leicht zur Instabilität.
    Außerdem, was war mit den Sekunden unmittelbar nach meinem Zauber? Wenn ich es schaffte, ihn richtig hinzubekommen, stand ich danach doch allein und schutzlos sozusagen mitten auf freiem Feld, mit einem wütenden, nach Rache dürstenden Naagloshii als einziger Gesellschaft. Was würde er tun? In meinem Kopf tauchte das Blut der halb gegrillten Lara auf, wie sie Madeline die Eingeweide aus dem Leib riss. Der Naagloshii würde mir Schlimmeres antun, dass wusste ich instinktiv. Viel Schlimmeres.
    Zweifel über Zweifel, aber der hässlichste kam noch: Was, wenn all dies hier für die Katz war? Wenn der Verräter entkam, während ich hier hilflos um mich trat? Was, wenn Morgan den Preis für LaFortiers Ableben trotzdem zahlen musste, weil die Machtmechanismen höherer Politik das nun einmal so bestimmten?
    Himmel! Gebt mir ein kühles Bier und ein schönes Buch!
    „Setz das jetzt nicht in den Sand!“, flehte ich mich selbst an. „Setz das nicht in den Sand!“
    Der Skinwalker blieb bei der Tür der Hütte stehen.
    Eine Sekunde später schleifte er Thomas genau über die Linie zwischen Türöffnung und mir.
    Ich hob die rechte Hand, bündelte meinen Willen und lenkte meinen Gedanken auf den einen, anvisierten Punkt, während die sich ständig ändernden Zahlen und Formeln der Kraftkalkulation durch meinen Kopf ratterten.
    Ich spreizte die Finger: „Forzare!“
    Etwas von ungefähr der Größe und Form einer Bulldozerschaufel raste zwischen mir und meinem Bruder über den Boden, riss Erde und Steinchen,

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