Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
riesengroßen Tatzen, was einen Moment lang den Eindruck erweckte, als könnten wir den Kampf für beendet erklären. Dann aber verschwamm die Gestalt des Naagloshii, und wo eben noch ein vage affenartig anmutendes Scheusal gestanden hatte, gab es jetzt nur noch ein kleines Fleckchen uringelben Fells, eine längliche, dünne Kreatur, eine Art Frettchen mit überdimensionalem Maul. Es entwand sich geschickt dem Zugriff der großen Bärentatzen, entging ebenso geschickt zwei Schlägen, mit denen der Bär nach ihm ausholte, und verschwand mit trotzigem, höhnischem Fauchen.
Aber Lauscht-dem-Wind war mit seinem Latein noch lange nicht am Ende. Der Bär setzte zu einem schwerfälligen Sprung an und landete als schlanker, schnellfüßiger Kojote, der mit gebleckten Fangzähnen dem Frettchen nachsetzte. Das drehte sich plötzlich mit weit aufgerissenem Maul um, sein Maul wurde immer weiter, immer größer, bis ein Alligator mit gelben Haarbüscheln im Panzer dem Hundewesen gegenüberstand. Der Kojote war zu dicht dran, um noch zur Seite hin auszuweichen zu können.
Aber noch während er geradewegs auf den Schlund des Alligators zusteuerte, schmolz die hundeähnliche Gestalt dahin, und ein Rabe glitt auf dunklen Schwingen auf der einen Seite in den Rachen des Alligators hinein und auf der anderen wieder hinaus, just als das riesige Maul zuklappen wollte. Mit schadenfrohem Krähen, das sehr nach dem Lachen eines Menschen klang, hob sich der Rabe in die Luft und drehte eine Runde um die Lichtung.
Die Panzerechse erzitterte am ganzen Körper und wurde zu einem Falken, golden und schnell, auf dem Kopf zwei gelbe Fellbüschel, die aussahen wie die Ohren des Naagloshii in seiner menschenähnlichen Gestalt. Mit übernatürlicher Geschwindigkeit warf er sich in die Lüfte und war verschwunden, verbarg sich im Flug offenbar hinter einem Schleier.
Über mir hörte ich den Flügelschlag des Raben, der vorsichtig über der Lichtung kreiste und nach seinem Feind Ausschau hielt – als ihm ein Falke von hinten die Krallen in den Rücken schlug. Entsetzt musste ich mit ansehen, wie der scharfe, gebogene Schnabel nach unten fuhr, um das erste Stück Fleisch aus dem Raben zu reißen – und statt auf Fleisch und Federn auf den stachligen, steinharten Panzer einer Schnappschildkröte traf. Ein Schädel mit ledriger Schrumpelhaut schoss hervor, drehte sich nach oben und Kiefer, die mühelos einen mitteldicken Draht durchtrennen konnten, klappten über dem Bein des Naagloshii-Falken zusammen. Der stieß erneut einen seiner durchdringenden Schreie aus, als die beiden Kontrahenten ineinander verbissen herabstürzten.
Aber kurz vor dem Ende des Sturzflugs verwandelte sich die Schildkröte knapp über dem Boden schimmernd in ein Eichhörnchen, das sämtliche Glieder gestreckt in vollem Schwung kurz vor dem Aufschlag zu einer Vorwärtsbewegung ausholte und geschickt mit einer Rolle vorwärts landete. Das gelang dem Falken nicht, obwohl auch er es mit einer Verwandlung versuchte, mit der er jedoch nicht mehr fertig wurde, bevor er schwer auf den steinigen Boden klatschte.
Das Eichhörnchen fuhr herum, sprang – und verwandelte sich mitten in der Bewegung in einen Puma, der sich auf die nach dem Aufprall noch ganz verwirrte Masse aus Federn und Fell stürzte. Fangzähne blitzten, Krallen rissen, schwarzes Blut rann über den Felsen, ein Chor schrecklicher Schreie war zu vernehmen. Schnell wie der Blitz hatte sich der Naagloshii zu einer neuen Gestalt zusammengefügt, zu einem unheimlichen Lebewesen mit vier Beinen, Schwingen wie eine Fledermaus und unzähligen Augen und Mündern. Vor allem die Münder schienen überall zu sein, und sie alle schrieen mit einem Dutzend verschiedener Stimmen. Irgendwie schaffte es das Monster, den Krallen des Pumas zu entkommen, wonach es wild um sich schlagend unbeholfen davon taumelte und sich stolpernden Schrittes an einem Absprung in die Luft versuchte, wobei es einem Albatros glich, dem der Aufwind zum Abflug fehlt. Die ganze Zeit über klebte ihm der Puma dicht an den Flügeln, schnappte zu, fuhr die Krallen aus, riss.
Der Naagloshii verschwand in der Nacht, ein wüstes Geheul folgte ihm. Fast klang es wie lautes Gestöhne, als er den Abhang hinunter und auf den See zu rannte. Dämonenwind verfolgte seinen Abgang mit einem mürrischen Gefühl der Befriedigung. Ich konnte es der Insel nicht verdenken.
Am Strand angekommen floh der Skinwalker weiter und verließ die Insel. Eine Zeit lang trieb sein Geheul
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