Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
Peabody sein Gewicht verlagerte, und kurz darauf tauchte am Rande meines Gesichtsfelds ein blutverschmiertes Stilett auf.
Dessen Spitze sich auf meinen Hals richtete! Es gelang mir im letzten Augenblick, den Arm hochzureißen und eine tödliche Verletzung erst einmal abzuwehren. Das Stilett riss jedoch an meinem Arm eine Ader auf. Ich griff mit der anderen Hand nach Peabodys Handgelenk, der wiederum schaffte es, sich auf mich zu rollen, packte das Stilett mit beiden Händen und stützte sich mit seinem gesamten Gewicht auf den Arm, mit dem ich sein Handgelenk umklammert hielt. Mir fielen Tropfen meines eigenen Blutes ins Gesicht, während mein Gegner langsam, aber unerbittlich die Spitze seines Stiletts auf mein Auge hinabsenkte.
Vergeblich versuchte ich, ihn abzuschütteln: Peabody war stärker, als er aussah und hatte offensichtlich auch mehr Erfahrung im Nahkampf. Ich schlug mit meinem verwundeten Arm nach ihm, aber den schüttelte er einfach ab wie eine lästige Fliege.
Ich spürte, wie meine Muskeln nachgaben, musste mit ansehen, wie die Stilettspitze immer näher kam. Das Ende stand kurz bevor, was Peabody noch einmal neue Kräfte verlieh. Schon brannte es heiß an meinem unteren Augenlid.
Auf einmal jedoch war von irgendwoher ein ungeheuer lauter Knall zu hören, und Peabody war verschwunden. Benommen blieb ich einen Moment lang liegen, ehe ich es wagte aufzublicken.
Gleich hinter dem immer noch offenen Zugang zum Weg lag Morgan, Luccios qualmende Pistole in der Hand, das verwundete Bein eine einzige, feuchte, scharlachrote Masse.
Wie mochte er es nur geschafft haben, uns trotz seiner Verwundung zu folgen? Bei allen Pillen der Welt – die Schmerzen mussten unerträglich gewesen sein! Er hob den Kopf und warf einen harten, triumphierenden Blick auf Peabodys Leichnam. Aber dann fingen seine Hände an zu zittern, er ließ die Pistole fallen, stöhnte auf, und sein Kopf sank wieder zu Boden.
Ich erhob mich schwer atmend und war mit ein paar Schritten bei ihm. „Morgan!“ Seine Verletzung sah schlimm aus, der Verband war blutgetränkt, aber immerhin schien momentan nicht mehr sehr viel neues Blut zu fließen. Morgans Gesicht jedoch war kreidebleich, die Lippen wirkten grau.
Aber sein Blick war ruhig, als er die Augen aufschlug. „Hab ihn erwischt!“
„Ja“, sagte ich. „Sie haben ihn erwischt.“
Er brachte ein klägliches Lächeln zuwege. „Dann habe ich Ihnen heute zum zweiten Mal den Arsch gerettet.“
Ich lachte, ein halbersticktes, nicht besonders überzeugendes Lachen. „Kann mal wohl sagen.“
„Sie werden mir die Schuld geben“, sagte er leise. „Es gibt kein Geständnis von Peabody, und ich bin politisch gesehen der bessere Kandidat. Lassen Sie es ruhig zu. Wehren Sie sich nicht dagegen. Ich will es so.“
Fassungslos starrte ich auf ihn hinab. „Aber warum?“
Er schüttelte mit einem erschöpften Lächeln den Kopf.
Bei mir fiel der Groschen erst, nachdem ich ihn noch eine Weile verständnislos angesehen hatte. Aber dann begriff ich es endlich: Morgan hatte mich von Anfang an angelogen. „Sie wollen es so, weil Sie die ganze Zeit wussten, wer LaFortier getötet hat. Sie war da, als Sie in Edinburgh in LaFortiers Gemächern zu sich kamen. Sie haben gesehen, wer den Mord begangen hat und wollten sie beschützen.“
„Anastasia war es nicht.“ Morgans Stimme war sehr, sehr leise, aber drängend. „Sie war nur ein Bauernopfer, sie schlief im Stehen, ahnte nicht einmal, dass er sie benutzte.“ Er zitterte. „Hätte daran denken müssen! Sie wurde in diesen jungen Körper gesteckt, da war ihr Bewusstsein wieder anfällig für Einflüsse von außen.“
„Was ist denn genau passiert?“, wollte ich wissen.
„Ich wachte auf, LaFortier war tot, und sie hatte das Messer. Habe es ihr abgenommen, ihr einen Schleier verpasst und sie aus der Tür geschoben“, flüsterte Morgan. „Hatte nicht die Zeit, uns beide rauszuschaffen.“
„Also haben Sie die Schuld auf sich genommen, weil Sie dachten, das alles ließe sich danach in Ruhe regeln. Aber dann mussten Sie feststellen, dass der wahre Verbrecher zu gewitzt gewesen war, die Story gegen Sie war zu gut. Niemand hat Ihnen geglaubt, als Sie erzählten, was passiert war.“ Ich schüttelte den Kopf. Um sein Leben hatte sich Morgan überhaupt keine Gedanken gemacht. Sobald ihm aufgegangen war, dass niemand ihm glaubte, war ihm klar geworden, dass sich Anastasia nach wie vor in Gefahr befand und dass er ohne Hilfe nicht in der Lage
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