Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
sein würde, den eigentlichen Verräter bloßzustellen. Da war er dann geflohen.
„Dresden?“, flüsterte er.
„Ja?“
„Das mit Molly habe ich niemandem gesagt. Was sie Ana anzutun versucht hat. Ich ... ich habe es niemandem erzählt.“
Das verschlug mir die Sprache, ich starrte ihn einfach nur an.
Sein Blick wurde trüb. „Wollen Sie wissen warum – und warum ich zu Ihnen gekommen bin?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Weil ich wusste ...“, hauchte er und hob die rechte Hand. Ich packte sie und hielt sie ganz fest. „Ich wusste, dass Sie wussten, wie es sich anfühlt. Wenn man unschuldig ist und von den Wächtern gejagt wird.“
Womit er praktisch zugab, dass er sich, was mich betraf, geirrt hatte. So nahe war er einem solchen Eingeständnis zumindest noch nie gekommen.
Kaum eine Minute später war Morgan tot.
49. Kapitel
T horsen verhinderte, dass ich an der Wunde verblutete, die Peabody mir verpasst hatte. Der große Schwede und seine Hilfstruppe hatten eine lange Strecke zurücklegen müssen, um zu uns aufzuschließen, waren mit einer Menge verschlossener Tore sowie mit der Verwirrung konfrontiert worden, die wir in unserem Kielwasser hinterlassen hatten. Etwa drei Minuten nachdem Morgan gestorben war, langten sie bei mir an. Sie taten ihr Bestes, ihn wiederzubeleben, aber sein Körper war allzu sehr geschunden, hatte zu viel Blut verloren. Mit Peabody befassten sich die Wächter erst gar nicht: Morgan hatte dem Verräter gleich eine doppelte Ladung aus Luccios Pistole in den Kopf gejagt.
Mich schafften sie auf die Krankenstation, wo Indianerjoe und eine Gruppe von Heilern – ein paar von denen hatten ihr Medizinstudium absolviert, als der Einsatz von Blutegeln noch als ernsthafte Option galt – sich um die kümmerten, die beim Angriff verletzt worden waren.
Alle weiteren Maßnahmen erfolgten, ohne dass meine Beteiligung erforderlich gewesen wäre.
Es gelang dem Ältestenrat, den mit Mordit versetzten Geisternebel – ein gefährliches, gasförmiges Wesen aus dem hintersten Winkel des Niemalslands – in den Griff zu bekommen und zu bannen, bevor er mehr als vierzig oder fünfzig Magier hatte töten können. Unter dem Strich hätte die ganze Sache viel schlimmer ausgehen können, aber die Tatsache, dass es sich bei den angegriffenen Versammelten in der Mehrheit um die ehemaligen politischen Unterstützer LaFortiers gehandelt hatte, führte zu einem riesigen Aufschrei. Das schürte tiefes Misstrauen. Man unterstellte dem Merlin, er habe sich nicht genug um die Sicherheit der Anwesenden gekümmert, die Sicherheitsvorkehrungen seien viel zu lasch gewesen und so weiter und so fort. Dabei geriet die Tatsache, dass der Angriff im Zuge der Demaskierung des wahren Killers stattgefunden hatte, mehr oder weniger in Vergessenheit. Wie hätte es auch anders sein können? Aus dem grauenhaften Gasangriff ließ sich schließlich prima politisches Kapital schlagen.
In der übernatürlichen Welt hatte inzwischen so gut wie jeder von LaFortiers Tod, der anschließenden Fahndung nach Morgan und der Auseinandersetzung während der Gerichtsverhandlung gegen ihn gehört, wenngleich wesentliche Details geheimgehalten wurden. Obwohl es nie eine offizielle Stellungnahme gab, machte schon bald das Gerücht die Runde, Morgan hätte mit Peabody zusammengearbeitet, und beide seien bei einem Fluchtversuch gestorben.
So wahrte der Rat auf eine sehr kaltschnäuzige, brutale Art sein Gesicht. Der Merlin hatte beschieden, es sei für die Magier der Welt letztlich viel weniger gefährlich, wenn alle Welt lediglich erführe, dass der Rat den Mord an LaFortier wie gewöhnlich mit einer Zurschaustellung von tödlicher Stärke und Macht geahndet hatte, nämlich mit der sofortigen Verhaftung und Exekution der für den Mord Verantwortlichen.
Aber ich wusste, dass Peabodys Mitverschwörer, diejenigen, die den Mord an LaFortier wirklich auf dem Gewissen hatten, diese ehrbare Geschichte von Sühne und Vergeltung natürlich nicht schluckten. Wie auch? Ihnen war klar, was wirklich geschehen war: Der Rat hatte einen Unschuldigen umgebracht, um Gesicht zu wahren. Mehr noch: Er hatte sozusagen freiwillig auf einen seiner fähigsten Militärs verzichtet.
Vielleicht hatte der Merlin ja recht, vielleicht stand man auf lange Sicht wirklich besser da, wenn die Welt einen für dumm, aber stark hielt. Vielleicht nützte einem der beste Ruf als Alleswisser nichts, wenn es gleichzeitig aussah, als könne man sich nicht durchsetzen. Ich
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