Eier.
Ich starrte eine Weile auf die Tanzfläche hinunter, wobei ich in diesem Fall wirklich nicht gaffte, sondern einfach nur die Musik und die Lichter auf mich wirken ließ, bis ich aus den Augenwinkeln wahrnahm, dass die beiden sich voneinander gelöst hatten. Dann drehte ich mich zu ihnen um. Justine winkte uns zu zwei Sofas hinüber, die einander gegenüber standen.
Thomas setzte sich in die Ecke des einen Sofas, Justine schmiegte sich eng an ihn, sorgfältig darauf bedacht, dass auch wirklich kein Fleckchen unbedeckter Haut seinen nackten Oberkörper berührte. Ich hockte mich den beiden gegenüber auf die Sofakante, stützte die Ellbogen auf die Knie und beugte mich vor.
Hier oben war es sehr viel leiser als unten, wahrscheinlich bestanden Boden und Geländer der Plattform aus schalldämmendem Material. „Justine!“ Ich lächelte ihr zu. „Du siehst aus wie der feuchte Traum des Michelin-Männchens.“
Ihr herzliches Lachen färbte Justines Wangen zart rosa. „Der Club hat ein Image zu wahren. Wie geht es dir, Harry?“
„Bin leicht angeturnt von dem Qualm und dem ganzen Gezappel hier“, sagte ich. „Thomas meinte, du hättest was für mich?“
Justine wurde wieder ernst und nahm einen braunen Umschlag auf, der neben ihr lag. „Es gehen Gerüchte über die Verfolgung eines abtrünnigen Wächters um. Einzelheiten sind wohl noch nicht allzu viele bekannt, aber das hier habe ich für dich zusammenstellen können.“
Sie schob mir den Umschlag zu. Als ich ihn öffnete, fiel der Ausdruck einer Webseite in die Hände. „Was zum Henker ist Craiglist?“
„Eine Art Anzeigenzeitung im Internet, nur effektiver, weil sie riesig ist und man sie überall auf der Welt abrufen kann. Sie ist für Leute, die Sachen kaufen oder verkaufen wollen.“
„Güter“, führte Thomas aus, „aber auch Dienstleistungen, Jobangebote – wenn es um nicht ganz Legales geht, gibt es entsprechende Verschlüsselungen. Einige ziemlich anrüchige Dinge wechseln über diese Seite den Besitzer, weil sie anonym und recht einfach zu handhaben ist. Escort-Service, Söldnertrupps – hier kriegst du, was du willst.“
Auf dem Ausdruck, den Justine mir gegeben hatte, stand folgende Anzeige:
GESUCHT FÜR FESTE DAUERSTELLUNG:
DONALD MORGAN
5 MILL. FINDERLOHN PLUS VERGÜNSTIGUNGEN
[email protected] „Herrjemine“, fluchte ich leise.
Ich reichte den Zettel an Thomas weiter. „Ein Fahndungsaufruf“, sagte er.
Ich nickte. „Es geht noch nicht einmal um tot oder lebendig, sie wollen ihn gleich tot.“
Nach dem Erscheinen dieses Fahndungsaufrufs würde jetzt jeder übernatürliche Kopfgeldjäger des gesamten verdammten Planeten hinter Morgan her sein. Nicht einmal so sehr des Geldes wegen – die Vergünstigungen, die das Plakat versprach, waren fast noch attraktiver und wogen in der Welt der Schrägen mehr als Bares. Die fünf Millionen sollten eigentlich nur die Dimension des Ganzen klarstellen, damit man ein Gefühl für das Ausmaß der Vergünstigungen bekam, mit denen man rechnen durfte.
„Jeder Hans und Franz, der schon mal als Killer unterwegs war, tigert jetzt los und bringt die bucklige Verwandtschaft gleich mit!“, stöhnte ich finster. „Die Sache wird immer bunter.“
„Aber warum tun deine Leute das?“, wollte Justine wissen. „Hast du irgendeine Idee?“
„Das waren nicht meine Leute“, sagte ich.
Thomas runzelte die Stirn. „Woher willst du das so genau wissen?“
„Der Rat regelt seine Probleme firmenintern“, sagte ich. Was auch stimmte: Für Jobs wie in der Anzeige hatte der Rat eigene Experten. Ich schnitt eine Grimasse. „Wenn er doch mal einen Killer per Ausschreibung suchen müsste, dann bestimmt nicht per Internet.“
Thomas strich gedankenverloren über Justines gummiverkleidete Schulter. „Wer war es denn dann?“
„Gute Frage. Kann man herausfinden, wer das Inserat aufgegeben hat? Oder wem dieses E-Mail-Dingsda gehört?“
Justine schüttelte den Kopf. „Darauf würde ich nicht hoffen.“
„Dann müssen wir selbst Kontakt aufnehmen“, sagte Thomas. „Vielleicht können wir die Auftraggeber aus der Reserve locken.“
Nachdenklich kratzte ich mich am Kinn. „Wenn die auch nur einen Funken gesunden Menschenverstand haben, dann geben sie sich niemandem zu erkennen, der auf dem gewünschten Gebiet nicht nachweisbar und erfolgreich etabliert ist. Aber einen Versuch ist es wert.“ Ich seufzte. „Ich werde ihn wegschaffen müssen.“
„Wieso?“, wollte Thomas