Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
paar Männer, aber mit denen hatte mein Körper weniger Probleme.
Mein armer Körper! Wir kamen an Aktivitäten vorbei, die ich noch nicht mal aus dem Kino kannte. Was das eine Mädchen da mit ihrer Zunge und einem Eiswürfel anstellte ... leichter wurde mir der Weg dadurch nicht.
Das lenkte mich tierisch ab, glauben Sie mir.
Je näher wir der Treppe zur obersten Plattform kamen, desto schneller ging Thomas. Auf dem letzten Stück nahm er dann immer gleich drei Treppenstufen auf einmal. Ich folgte ihm dicht auf dem Fuße, ständig auf der Hut, Ausschau haltend nach irgendwelchen bösen Jungs. Als Dreingabe durfte ich mehr hübsche Mädchen begaffen, als ich je gleichzeitig am selben Ort versammelt gesehen hatte. Aber das Anstarren war rein professionell! Wusste ich denn, ob nicht eine von ihnen etwas versteckte?
Letztlich schockierte es mich dann ziemlich, was eine von ihnen versteckt hatte und wo.
Ich kam gerade noch rechtzeitig oben auf der Plattform an, um mitzuerleben, wie sich Thomas in die Arme einer Frau sinken ließ.
Ehe sie anfing, Schuhe mit zehn Zentimeter hohen Absätzen zu tragen, hätte man Justine nicht als besonders groß bezeichnen können. Ansonsten sah sie genauso aus, wie ich sie in Erinnerung hatte: ein außergewöhnlich attraktives Gesicht, das trotzdem immer noch in die Kategorie „Mädchen von nebenan“ fiel, ein Lächeln, bei dem einem das Herz schmolz. Ihr Haar, silberweiß, türmte sich hoch auf dem Kopf, gehalten von zwei Essstäbchen.
Natürlich hatte sie bei unserer ersten Begegnung nicht in einem durchgehenden Catsuit aus weißem Latex gesteckt, auch hatten keine passenden weißen Handschuhe ihre Finger bedeckt. Der Anzug umschloss jedes Fitzelchen Haut an ihrem Körper und das tat er so geschickt, dass einem nicht die kleinste gelungene Rundung entging.
Thomas war inzwischen auf die Knie gefallen, hatte Justine an der Taille umschlungen und zog sie eng an sich. Sie legte ihm ihre gummiumhüllten Arme um den Hals und klammerte sich an ihn. So verharrten die beiden, ganz in sich versunken, ganz dicht beieinander, ohne sich zu rühren.
Das war an diesem Ort der hektischen Sexualität etwas sehr Befremdliches.
Um meinem Bruder und der Frau, die er liebte, einen Moment Alleinsein zu gönnen, wandte ich mich ab, lehnte mich ans Geländer der Plattform und beobachtete angelegentlich die Tanzfläche unter mir. Justine trug den Dress, der keine Haut durchschimmern ließ, nicht der Mode wegen, sondern wegen Thomas. Vampiren des Weißen Hofes war jegliche Berührung durch einen Menschen, der ehrlich, selbstlos und echt liebte, verwehrt. Thomas hatte mir von Vampiren berichtet, die sich an den Eheringen eines glücklichen Paares schwer verbrannt hatten. Bei anderen hatte das Streifen einer Rose, die ein Mann seiner Liebsten geschenkt hatte, gereicht. Aber das Gefährlichste für sie war die Berührung eines Menschen, der geliebt wurde und diese Liebe aus ganzem Herzen erwiderte.
Die Verbrennungen zweiten Grades, die Thomas an Mund und Lippen davongetragen hatte, als er zum ersten Mal versucht hatte, Justine zu küssen, hatte ich selbst gesehen. Zu einem zweiten Versuch war es nie gekommen.
Die beiden hatten einander nicht mehr gesehen, seit sie ihr Leben hatte opfern wollen, um seins zu retten, als sie sich seinem Hunger dargeboten hatte, damit er die Chance hatte, die Nacht zu überstehen. Thomas hatte das Angebot nicht angenommen, sich geweigert, Justine zu verzehren, die dunklere Seite seines Wesens verleugnet. Trotzdem wäre Justine damals beinahe gestorben. Ihr Haar war in jener Nacht weiß geworden, und sie hatte Jahre gebraucht, bis sich ihr Gemüt erholt und sie die Sucht danach, einem Inkubus als Nahrung zu dienen, überwunden hatte. Jetzt hatte sie es geschafft und arbeitete als Assistentin bei Thomas‘ älterer Schwester Lara in einer Position, die es ihr ermöglichte, einiges an pikanten Details über den Weißen Hof mitzubekommen. Nur deshalb hatte sie die Stelle überhaupt angenommen. Da die Liebe zu meinem Bruder sie schützte, konnte sich kein Vampir an ihr nähren, was Lara bei ihrer persönlichen Assistentin perfekt fand.
Es bedeutete auch, dass mein Bruder die Frau, die er liebte, nicht anfassen, nicht berühren durfte. Wäre er gewesen wie die meisten vom Weißen Hof, nur daran interessiert, seinen Hunger zu befriedigen, dann hätte er sie haben können, so oft er wollte. Aber so ...
Manchmal war die Ironie des Schicksals doch echt wie ein heftiger Tritt in die
Weitere Kostenlose Bücher