Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
Lieblingstaschenbücher. Diesen Notfallrucksack hielt ich immer gepackt bereit, für den Fall, dass ich dringend irgendwohin aufbrechen musste. Er enthielt alles, was ich brauchte, um in fast allen Umweltzonen des Planeten zu überleben.
Molly hatte sich, sobald sie von der Existenz meines Notköfferchens Wind bekommen hatte, in Eigeninitiative auch eins zusammengestellt. Nur war ihr Rucksack rosa.
„Du bist dir ganz sicher?“, fragte ich leise, damit Morgan nichts mitbekam.
Molly nickte. „Allein kann er da nicht bleiben, und du kannst nicht bei ihm bleiben. Thomas auch nicht.“
Ich grunzte. „Muss ich deinen Rucksack nach Kerzenständern durchsuchen?“
Sie schenkte mir ein zerknirschtes Kopfschütteln.
„Nimm es dir nicht allzu sehr zu Herzen, Mädel“, sagte ich. „Er hatte gut und gerne zwei Stunden, um dich in Rage zu bringen, und immerhin hätte er dir damals bei dem Schlamassel um die Splattercon fast den Kopf abgeschlagen.“
„Das war ja gar nicht der Grund“, sagte sie leise. „Es ging um das, was er zu dir gesagt hat. Was er dir angetan hat.“
Ich legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm.
Woraufhin sie mir ein schwaches Lächeln schenkte. „Ich habe noch nie ... so etwas habe ich noch nie gespürt, echt nicht. Solchen Hass. So noch nie.“
„Deine haben dich Gefühle übermannt. Mehr war nicht.“
„Aber das ist es nicht!“, beharrte sie. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und zog den Kopf ein. „Harry, ich habe mitgekriegt, wie du dich fast umgebracht hast, um Leuten in Not zu helfen. Aber für Morgan zählt das nicht. Für den bist du nur dieses ... dieses Ding , das irgendwann mal einen Fehler gemacht hat. Was anderes wirst du für ihn nie sein.“
Aha!
„Mädel“, sagte ich leise, „vielleicht überlegst du dir mal, auf wen du vorhin wirklich so wütend warst.“
„Wie meinst du das?“
Ich zuckte die Achseln. „Es gibt einen Grund dafür, dass du so ausgerastet bist, als Morgan auf mir rumhackte. Vielleicht war es ja reiner Zufall, dass es sich dabei ausgerechnet auch noch um Morgan handelte.“
Molly blinzelte ein paar Mal, ganz schnell, aber doch nicht schnell genug: Eine Träne lief ihr über die Wange.
„Du hast einmal etwas Schlechtes getan, Molly“, sagte ich. „Das macht dich nicht zu einem Monster.“
Zwei weitere Tränen kullerten. „Aber was, wenn doch?“ Sie fuhr sich mit einer schroffen, verärgerten Bewegung über die Wangen. „Was, wenn doch, Harry?“
Ich nickte. „Verstehe. Wenn Morgan recht hat und ich nichts weiter bin als eine tickende Zeitbombe und ausgerechnet ich dich rehabilitieren soll, dann hast du nicht die geringste Chance.“
Sie presste die Lippen aufeinander, ihre Worte kamen ganz steif aus dem Mund. „Ehe Mouse mich umwarf, da wollte ich ... ich wollte Morgan Dinge antun. Seinem Schädel. Ich wollte ihn zwingen, sich anders zu verhalten. Ich war so wütend, und es fühlte sich so richtig an!“
„Etwas zu fühlen und dann danach auch zu handeln sind zwei verschiedene Paar Schuhe.“
Sie schüttelte den Kopf. „Aber wer würde so etwas tun wollen, Harry? Welches Monster fühlt sich danach?“
Ich hängte mit den Rucksack über eine Schulter, damit ich die Hände freibekam und Mollys Gesicht so zu mir drehen konnte, dass sie mir in die Augen sehen musste. Die wirkten durch die Tränen hindurch sehr blau.
„Das Monster Mensch. Molly, du bist ein guter Mensch. Lass dir von niemandem etwas anderes einreden, nicht einmal von dir selbst.“
Inzwischen hatte sie es aufgegeben, die Tränen zurückzuhalten. Ihre Lippen zitterten, die Augen waren weit geöffnet, und ihre Wangen fühlten sich unter meinen Fingern warm an, als hätte sie Fieber. „Da bist du dir ganz sicher?“
„Ja.“
Sie stand mit gebeugtem Kopf und bebenden Schultern vor mir und tat mir so leid, dass ich mich vorbeugte, bis meine Stirn an ihrer ruhte. So verharrten wir eine Weile. „Du bist in Ordnung“, sagte ich leise. „Du bist kein Monster. Du kriegst das alles auf die Reihe, Grashüpfer.“
Wir wurden von lauten Klopfgeräuschen unterbrochen. Als ich einen Blick über die Schulter warf, sah ich Morgan hinter dem Busfenster, wie er mich wütend anfunkelte und ungeduldig mit dem Zeigefinger auf die echte, wahrhaft altmodische Taschenuhr klopfte, die er hochhielt.
„Arschloch!“, flüsterte Molly schniefend. „Dickes, fettes, miesgelauntes Arschloch!“
„Bestimmt. Aber recht hat er. Die Zeit läuft.“
Sie riss sich zusammen
Weitere Kostenlose Bücher